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Durch einen glücklichen Umstand erfuhr ich von dem Schwimmen in Limbach-Oberfrohna. 24 Stunden in auf einer 25 m-Bahn. 10.000 m am Stück stehen immer noch auf meiner To-Do Liste. Hier wollte und konnte ich mich weiter ein Stück rantasten. Die Taktik war klar: 50 m Brust / 50 m Kraul. Alle 30 Minuten eine GU-Gel Pause und schauen was geht. Entweder vor dem Spätdienst oder nach dem Frühdienst war mein Zeitfenster. Die Entscheidung nahm mir mein Küchenchef ab.
Aktuell war dann Spätdienst am 10.09. im Kahnaletto angesagt. Daher war ich 10:00 Uhr pünktlich zum Start der Veranstaltung in Limbach-Oberfrohna.

Ein Foto mit dem Maskottchen gemacht, Bahn ausgesucht und los ging es. Ich kam gut in meinen Rhythmus rein. 28 °C Wassertemperatur – nicht unbedingt meine Temperatur aber man gewöhnt sich dran. Meine Mitschwimmer auf Bahn 4 waren fulminant, super sportlich fair. Es war grandios. Keiner hat gedrängelt oder gerempelt. Vom normalen Training kennt es man es anders. Hier war es so, wie es eigentlich sein sollte. Nach dem Mittag ein Schwimmer mit Handicap auf der Bahn. Er schwamm mittig und sehr ruhig. Er wurde integriert, es war ein Fest. Da wurde halt rechts überholt. Dann rollte ein ICE mit angehenden Jungprofis an und über mich. Alles super sportlich fair. Am Ende jeder Bahn stellte ich mich hinten an und war weiter Teil des Wettkampfs. Überholen konnte und durfte ich auch ab und zu. Ich habe mich getraut, bei Gegenverkehr zu überholen. Im regulären Training machte ich das nicht. So verging die Zeit. Nach jeder halben Stunde raus aus dem Wasser und GU-Gel verzehrt. 13:00 Uhr kam der Mann mit dem Schwimmhammer. Die Anstrengung machte sich bemerkbar. Aber nö – aufhören wollte ich noch nicht. 4 h Schwimmzeit hatte ich mir vorgenommen. So ging es wieder auf meiner Bahn Nr. 4. Am Ende der Bahn wurde manuell gezählt. Das fand ich sehr gut. Mit meiner Garmin Uhr bin ich sonst sehr zufrieden. Bei der Anzahl der Bahnen, da zählt die Uhr anders. Zumal ich nach jeder zweiten Bahn den Schwimmstil wechselte. Meine Pausen habe ich rausgestoppt. Aus Rücksicht vor meiner Arbeit und dem Verkehr auf der Autobahn habe ich 14: 30 Uhr meinen Versuch beendet. In Ruhe angezogen, Teilnehmerurkunde abgeholt und ab ins Auto. In der Stadt Dresden warteten die Straßensperrungen zum Frauenlauf noch auf mich. Mit kleinem Umweg erreichte ich rechtzeitig das Terrassenufer. Vom Schwimmen taten mir die Oberarme etwas weh, sonst hatte ich es gut überstanden. Am 2. oder 3. Wochenende im September 2023 bin ich sicher wieder in Limbach-Oberfrohna beim 24 Stunden Schwimmen dabei. Großen Dank an die Organisation, die Leute bei der Anmeldung und Respekt an die Zähler der Bahnen. Das war sicher keine einfache Aufgabe bei der Vielzahl der Schwimmer.



Ich hatte, seitdem ich weiß, dass es diesen Lauf gibt, schon immer die Absicht die 100 Meilen in Berlin zu laufen. Allerdings passten in den letzten Jahren die Termine immer nicht und so sollten 10 Jahre in`s Land gehen bevor ich an der Startlinie stehe.

Die 100 Meilen in Berlin bieten eine echte Möglichkeit die deutsche und internationale Ultra-Community zu treffen. So war das Briefing am Freitagabend nicht nur ein Pflichttermin, sondern auch ein guter Anlass alle die Heros und Lauffreunde, die ich seit Jahren nicht gesehen hatte bzw. teilweise nur aus Social Media kenne, mal persönlich zu treffen.

Dimension ist was der Kopf draus macht und die Nervosität stieg exponentiell, wie die Anzahl der Tage bis zum Start abnahm. Meine Lauferfahrung der letzten 20 Jahre hat geholfen meine Nervosität ganz gut in den Griff zu kriegen und eine einigermaßen ruhige Nacht auf den Samstag zu haben.

4:30Uhr klingelt der Wecker und ich schleiche mich in`s Bad, was natürlich nicht gelingt und meine Frau ist jetzt auch putz munter, naja fast 😉.

Morgentoilette, Haferflockenfrühstück, Anziehen und 4:45Uhr stand ich an der Bushaltestelle am Berliner Hbf und wartete auf den Bus zum Start in`s Erika-Heß-Stadion in Berlin Mitte.

Dort war bereits reichlich Trubel und auch hier wieder Begrüßung vieler Bekannter und Freunde. Meine Stimmung war angespannt – ein paar Zweifel über die Sinnhaftigkeit 100 Meilen zu laufen kamen bei mir schon auf.

Pünktlich 6Uhr Start und wir liefen, vorbei am Mauerpark Bernauer Straße, raus aus Berlin. In der Stadt war das alles sehr abwechslungsreich und die ersten Kilometer waren schnell abgespult.

Dann gings in die Wälder nordöstlich Berlins und das hieß … ein Baum, kein Baum, Baum, kein Baum, Sand, grüne/braune Wiesen, und wieder Bäume, … Bäume, … in die Brandenburger Pampa. Abwechslung sieht anders aus. Wie kommt man auf so eine Streckenführung? Wenn wir ehrlich sind, dann ist es toll, dass dieses Bauwerk keinen Bestand haben durfte. Umso wichtiger ist es, dass wir all denen gedenken die dort so sinnlos ihr Leben lassen mussten. Das war schon ergreifend immer wieder die Gedenktafeln zu sehen und sich bewusst zu werden, wie viele das waren – allein in Berlin.

Noch viel wichtiger ist es, dass wir sowas nie wieder zulassen. Gerade wenn wir heute auf die Welt gucken, wird mir angst und bange was für einen Bockmist wir da gerade wieder anstellen – und da meine ich beide Seiten, egal ob wir im Osten oder Westen zu Hause sind. Lassen wir uns nichts vormachen, es ging in der Vergangenheit und es geht auch heute NIE um Menschenrechte, es geht IMMER um Einfluss, Macht, Bodenschätze und Geld!

Ich hatte zum Tracken und zur Aufzeichnung der Strecke meinen Wahoo Radkomputer mit, der permanent alle 3-10 Sekunden einen Piepston von sich gab und ich muss ständig erklären was das denn ist. Dass das meine Herzfrequenz sein sollte, hat mir keiner meiner Mitläufer wirklich geglaubt. Ausstellen konnte ich das Piepsen auch nicht und so hab ich`s einfach ignoriert.

Ca. ab km 30 meldete sich mein Kopf mit der Ansage „… was soll der Scheiß, wollen wir nicht nach Hause laufen, … ich habe keine Lust mehr …“. Ich kriegte die Füße nicht mehr hoch und bin natürlich über das nächste Loch im Asphalt gestolpert und gestürzt. Außer zwei kleinen Schrammen an jedem Knie ist zwar nix passiert, aber ich war genervt. Wieso funktioniert das heute nicht? Die Temperaturen sind nicht so heiß wie angekündigt, es ist schwül ja, aber zum Glück bewölkt ☁️ und trocken – die Sonne ☀️ kam erst nach 17Uhr. Eigentlich ideales Laufwetter, damit sollte ich doch umgehen können. Wie aber will ich so die nächsten 130km durchstehen?

Natürlich weiß ich, dass gerade bei langen Läufen der Kopf oder/und Körper manchmal komische Sachen veranstalten und wir durch tiefe Täler müssen, um die hohen Höhen zu erreichen. Aber heute brauchte ich sowas bitte nicht, vor allem so zeitig auf der Strecke.

Zumindest die Ernährung hat super funktioniert und am ersten Wechselpunkt bei Km36, am Ruderclub Oberhavel in Hennigsdorf, habe ich meinen Gels nachgeladen.

In Schönwalde am VP9 (km48,9) wartete überraschend Peter Fleischer (der dort wohnt) vom Dresden Marathonverein auf mich und versuchte mich über die nächsten km abzulenken und auf andere Gedanken zu bringen. Das hat nur teilweise funktioniert. Bei km 49 überholte mich Peter Ossendorf, der mir die Ansage macht „Du steigst nicht aus. Wenn Du das tust, komm ich zurück und hol Dich. Du läufst durch …“. Richtig überzeugt war ich nicht. Peter musste wegen Krämpfen und Magenproblemen bei km80 leider selbst aussteigen – schade. Aber Danke für deinen Motivations Seitenhieb.

Am VP10 Falkenseer Chaussee (km54,6) wartete meine Familie. Die Motivation dort tat gut und die Pause wurde mit ca. 20Minuten! deshalb etwas länger. Trinken, Essen, Gespräch mit Carsten (dem Rennarzt) über meine Knie, mit denen aber alles in Ordnung war.

Ich entschied erstmal bis Potsdam weiter zu laufen und auf dem Weg dorthin über ein DNF oder Weiterlaufen zu entscheiden.

Auf den nächsten Kilometern gingen die Diskussionen zwischen meinem Kopf und meinen Beinen weiter. Der Kopf hatte keine Lust mehr und die Beine wollten Laufen.

Nach dem Lösen von mehreren Rechenaufgaben, einigten wir uns auf folgenden Kompromiss: Wenn ich es schaffe, abwechselnd mit Gehpausen und langsamen Laufen, pro Stunde mindestens eine Distanz von 5-6km zu bewältigen, dann habe ich am Ende immer noch 2h Luft zum Zeitlimit von 30h. Also was soll die Diskussion. Das Argument hat meinen Kopf überzeugt und ab dem Zeitpunkt gab`s keine Diskussionen mehr – jetzt wird GELAUFEN!

Kurz vor Potsdam konnten wir dem Weg der Mauer nicht im Original folgen, denn dann hätten wir durch den Jungfernsee schwimmen müssen. Da wir das nicht wollten bzw. nicht konnten, mussten wir der Straße folgen und den Jungfernsee umrunden.

Kurz hinter dem Verpflegungspunkt Brauhaus Meierei (VP15 km85) im Park Cecilienhof wartete meine Familie in Erwartung, dass ich mit Ihnen zurück zum Hotel fahren würde. Aber mein Kopf und ich, wir hatten ja entschieden weiterzulaufen. Nach einer kurzen Erklärung meines aktuellen Status`, ließ ich sie mit zweifelnden Blicken zurück und lief weiter über die geschichtsträchtige Glienicker Brücke, wieder raus aus Potsdam.

Nach VP16 km92 in Potsdam Griebnitzsee kam wieder brandenburgische Pampa … ein Baum, kein Baum …  – meinem Kopf war das mittlerweile egal, wir hatten ja einen Kompromiss geschlossen.

Und es kam die Nacht, also kurzer Stopp, Stirnlampe 💡aufsetzen und Warnweste anziehen.

Kurz vor dem Wechselpunkt3 km105,4 am Sportplatz Teltow kam er dann doch, der angekündigte Regen und es schüttete aus Kannen. Nachts irgendwas zwischen 22 und 23Uhr mitten in der Pampa war es für mich eine Wohltat – ca. 20°C Lufttemperatur und Landregen. Ich fand`s herrlich, es war für mich ein echtes Highlight – nass bis auf die Haut und trotzdem warm.

Gegen 0:30Uhr kam ich am Sportplatz Teltow dem WP3 km105 an. Eigentliche eine Gelegenheit die nassen Klamotten loszuwerden, aber ich entschied mich das nicht zu tun. Schuhe wechseln war auch nicht nötig – keine Blasen, keine Reibstellen. Meinen Füßen ging`s gut und ich hatte Bock weiter zu laufen. War nur los – der Läufergott wollte dass ich ankomme 😉.

Viel wichtiger war hier Energie tanken und essen. Ich wunderte mich über meinen Appetit auf Wurstbrot und Fettschnitte. Das hat mein Magen in der Vergangenheit immer verweigert, aber der Uhrzeit und unserem Kompromiss geschuldet hat er sich wahrscheinlich gedacht – okay zur Feier des Tages und der Strecke, versuch auch ich mal was Neues. Und es hat funktioniert. Keine Magenkrämpfe und auch kein Energieverlust, im Gegenteil die Stimmung stieg. Ein weiterer, diesmal kurzer Regenguss bestätigte auch meinen Entschluss in den nassen Sachen weiterzulaufen. Nach dem Regen kam die Hitze allerdings wieder und eine Stunde später war ich wieder trocken.

Hinter Rudow (VP22 km133) kamen 6km auf schnurgeradem Weg, eingeklemmt zwischen Treptow Kanal und A113. Sehr abwechslungsreich – ich habe genau gesehen, wo ich hinmusste. Die Stirnlampen meiner Mitläufer von hinten, zeigten mir den Weg – es zog sich.

Die Morgendämmerung kam und es wurde heller. Kurz vor der Sonnenallee war es 6Uhr und die Stirnlampen wurde eingepackt. Sonnenaufgänge in Berlin hab ich schon oft erlebt und der hier war jetzt nicht so spektakulär. Aber hey, wenn man 144km in den Beinen hat und das Ziel fast schon sehen kann, macht es das zu einem ganz besonderen Ereignis.

Beim Blick auf die Uhr war jetzt eine Zielzeit gegen 9:45Uhr sehr realistisch. Die Ampelschaltungen in Berlin sorgten dafür, dass wir im Stopp and Go Modus unterwegs waren. Nach der Oberbaumbrücke kam die East Side Gallery (VP25 km151) und auch der drittletzte Verpflegungspunkt. Also nochmal Energie tanken und weiter auf die letzten 12km.

Am Berliner Ostbahnhof, kam Carsten, nochmal vorbei und fragte nach Stimmung und Gemütslage und meinen Knien. Das fand ich schon bemerkenswert. Mir gings gut und ich „lief“ den nächsten Highlights – Checkpoint Charlie, Brandenburger Tor, Reichstag … und dem Ziel entgegen.

Kurz vorm Checkpoint Charlie stand Thomas am Straßenrand und wollte mich ein paar Kilometer bis zum Schiffbauerdamm begleiten. Ich rede ja im Normalfall schon nicht viel, aber jetzt wollte ich nur noch genießen und hatte auch keine Lust zu Konversation. Das hat er dankenswerter Weise akzeptiert. Auch er fragte mich ob`s mir gut geht – wahrscheinlich hatte ich meine Gesichtszüge gerade nicht im Griff.

Am Schiffbauer Damm stand dann der Rest meiner Familie und schickte mich auf die letzten 3km. Irgendwie haben sie es dann auch vor mir ins Ziel geschafft – ich war im Schneckentempo unterwegs.

Auf der Zielrunde im Stadion hab ich dann doch tatsächlich noch einen „Zielsprint“ hingekriegt – ich empfand das zumindest.

Abklatschen mit Carsten, der Familie, dem Moderator und ich hatte es geschafft – 162km. Was für eine Zahl, bin ich das wirklich gelaufen?

Im Ziel noch ein Erdinger Alkoholfrei und dann wollten wir mit dem Bus raus aus der Wärme und schnell in`s Hotel. Den Bus ich hätte allerdings lieber doch nicht besteigen sollen, vor allem nicht mit Maske. Nach ein paar Metern konnte ich nur noch sagen – „… ich glaub ich muss aussteigen …“. Dann fand ich mich auf dem Fußweg wieder. Mein Kreislauf fand die Busfahrt gar nicht witzig und hatte sich `ne ganz kurze Auszeit genommen. Füße hoch, Getränke und Kühlung verhalfen mir schnell wieder auf die Beine.  Nach der Dusche im Hotel ging`s mir wieder gut.

Allerdings hatte ich jetzt keine Lust mehr auf die Siegerehrung. Wir entschieden auf dem Weg nach Hause einen Zwischenstopp im H4 Hotel einzulegen, die Siegerehrung zu schwänzen und meine Medaille vorher abzuholen.

So richtig realisiert hab ich das heute, 7 Tage später immer noch nicht. Das kuriose ist, ich habe keinerlei Blessuren, Blasen oder sonst was. Der Muskelkater ist auch schon wieder weg und ich hab schon wieder Lust die Laufschuhe anzuziehen – was ich vernünftigerweise erst nächste Woche und auch nur für eine kleine lockere Runde tue.

100 Meilen ist dann doch eine völlig neue Dimension und wir alle, die wir auf den 100 Meilen gestartet, egal ob ausgestiegen sind oder gefinished haben – ein bissel verrückt sind wir schon.

Zum Schluss muss ich unbedingt DANKE sagen

  • liebes Org-Team um Harald Reiff, Carsten Bölke, das DRK und vor allem ALLE Helfer – das war GANZ GANZ großes Kino, ihr habt einen grandiosen Job gemacht. Als Veranstalter weiß ich was das für ein Kraftakt ist.
  • Danke auch an meine Familie, die mich – auch wenn sie nicht immer alles nachvollziehen kann und gut finden was ich so tue – immer und überall 100%ig unterstützt. Ihr habt an dem Wochenende mindestens genauso viele Kalorien verbraucht wie ich und musstet kreuz und quer durch Berlin fahren, um rechtzeitig an den vereinbarten Punkten zu sein – DANKE

Ein bissel Statistik

meine Laufzeit:              27:36:50h
Strecke:                            161,30 km (Pace 10:16 min/km)
Platz gesamt:                  232
Platz AK65:                       10

Gestartet                           ins Ziel gekommen
Einzelläufer                     425                                      296
2er Staffel                         36                                          22
4er Staffel                         64                                          61
10+ Staffel                         51                                          50

Cathleen Frank und Thomas Sperling starteten in einer 4er Staffel und waren nach 17:06:17h im Ziel.



Über einen Monat zu Hause und doch noch nicht wirklich angekommen…Achtung es ist etwas länger geworden…520 km in 10 Tagen erfasst man nicht in wenigen Worten😅
Nach meiner Teilnahme am Ultra Afrika Race in Mosambik standen die 520 km bei The Track in Namibia zur Debatte. Da ich wusste, wie sich 520 km anfühlen und ich dieses Mal alleine starten werde, habe ich ziemlich lange gezögert. Zum Geburtstag eines lieben Freundes und Helfer des Veranstalters, der leider kurz nach Mosambik verstorben ist, habe ich mich dann angemeldet. Eigentlich wäre er als Helfer wieder vor Ort gewesen und wir haben uns auf ein Wiedersehen sehr gefreut. Ich wollte ihm diesen Lauf widmen und ihm so die letzte Ehre erweisen und Abschied nehmen.
Jetzt ging es wieder los…Training mit Rucksack, Verpflegung und Ausrüstung optimieren und teilweise neu beschaffen. Mich werden Temperaturschwankungen von über 30 Grad erwarten. Sprich in der Nacht kann es schon empfindlich kalt bis ca. 0 Grad werden. Mein Vorteil allerdings, dass ich ja erst im November den Etappenlauf in Mosambik absolviert habe und somit die Routine und nun schon bessere Erfahrung vorhanden war. Auch das Packen des Rucksackes für den Flug war nun schon etwas leichter. Es musste alles Wichtige an der Pflichtausrüstung und Verpflegung ins Handgepäck. Die Laufschuhe bereits angezogen und sehr unspektakulär ging es relativ zeitig mit der Bahn nach Frankfurt…man weiß bei der Bahn ja nie…und dann im Direktflug nach Windhoek. Da wir Starter ja fast alle mit dem Rucksack am Flughafen stehen, habe ich in Windhoek dann gleich Marco Jaeggi und Pedro Vera entdeckt. Wir haben uns das Taxi geteilt und los ging es Richtung Innenstadt.
Im Hotel angekommen musste ich erst einmal die Verpflegung von den großen Beuteln in kleine Zipperbeutel verteilen. Und wieder sah es aus wie in einer Drogenbude🙈 An meiner Verpflegung habe ich dieses Mal einiges Verändert. Weniger Tailwind, dafür mehr unterschiedliche Riegel, Nüsse, Cranberrys, als Recover Cellamino von Cellagon, für jeden Tag ein Quetschie und veganes „Trockenfleisch“. In die Wasserflaschen zusätzlich meine tägliche Portion t.go von Cellagon, Teebeutel für kalten Tee und Zitronenpulver. Den Nachmittag habe ich noch für einen kleinen Rundgang in der näheren Umgebung genutzt. Am Abend erst gemeinsam mit Marco und Brigid Wefelnberg und anschließend noch mit dem gesamten Team von Canal Aventure ausklingen lassen. Groß war die Freude alle wieder zu sehen.
Am nächsten Tag ging es dann mit einem großen Geländebus in die Wüste, Reifenpanne inclusive. Unser erstes Camp lag wunderschön gelegen direkt im bzw. am Rande des Moon Valley. Wir wurden in die Zelte aufgeteilt und ich war mir gar nicht bewusst, dass ich einen Luxusurlaub gebucht habe…ich habe ein Zelt für mich alleine. Somit konnte ich mich immer richtig ausbreiten und alles geordnet im Zelt verteilen. Ziemlich schnell haben wir Besuch von einem Dikdik bekommen. Das sieht ähnlich aus wie ein Reh und ist eine afrikanische Zwergantilope. Das weibliche Tier war sehr zutraulich, hat sich sogar Äpfel aus den Zelten geholt und hat es hauptsächlich auf die Männer abgesehen. Die haben schon einmal blaue Flecken bekommen. Der erste Sonnenuntergang und endlich die erste Nacht…und dass bei Vollmond und einem schon sehr beindruckenden Sternenhimmel. Durch den Mond war es so hell, ich brauchte keine Stirnlampe, wenn ich auf Toilette musste. Und so wie jede Nacht habe ich dann immer ganz lange dagestanden und einfach den Himmel bewundert. Das sind Momente, auf die ich mich vorher schon so sehr freue. Unser Dikdik hat es sich im Kreis unserer Zelte gemütlich gemacht und geschlafen. Für mich so unvergessliche Augenblicke. Genau davon zehre ich zu Hause oder auch beim Lauf, wenn das unvermeidliche Tief kommt. Am Dienstag dann der Check der Ausrüstung und der Medizincheck. Da ich die vorletzte Startnummer habe, komme ich erst später dran und habe noch etwas Zeit meinen Rucksack zu optimieren und mich von einigen Dingen zu trennen, auf die ich verzichten kann. Naja viel hat man ja sowieso nicht dabei. Also von dem wenigen noch weniger. Von den Zippbeuteln die Zipper abgeschnitten und dafür mit Klebeband zugeklebt. Die Fertignahrung in dünne Beutel umgefüllt, eine Wasserflasche abgeschnitten und als Schüssel genutzt. Einige Dinge habe ich von Marco abgeschaut und für gut befunden. Er hat mich sehr unterstützt und mit einigen Utensilien ausgeholfen. Und so hat mein Rucksack ein Gewicht von ca. 8,2 kg. Beim Lauf muss man dann noch 2 Liter Wasser dazurechnen. Ab jetzt hat man wirklich nur noch den Laufrucksack mit all seiner Pflichtausrüstung zur Verfügung. Das Handy habe ich schon in Windhoek ausgestellt. Also wirklich komplett abgeschnitten von der Außenwelt. Ich konzentriere mich nur noch auf den Lauf mit all seinen Teilnehmern und Helfern, die Landschaft und mich selbst. Am Abend das Briefing, die letzte gestellte Mahlzeit vom Veranstalter. Ab jetzt wird es ernst.
Der Morgen beginnt eigentlich immer gleich. Obwohl ich keinen Wecker habe, bin ich immer rechtzeitig ca. 2 Stunden vor Start munter. Irgendwie funktioniert das sehr gut, obwohl wir schon sehr zeitig aufstehen müssen. Aber es ist immer jemand munter und wuselt im Camp umher, so dass man automatisch auch munter wird. Da ich ja die Luxusvariante habe, konnte ich meine Sachen wirklich richtig schön ausgebreitet im Zelt bereitlegen und somit war das Packen auch viel einfacher. Früh war es meistens noch empfindlich kalt und so bin ich mit dem Schlafsack um die Beine im Zelt langgerobbt und habe alles erledigt. Zuerst das Wasser kochen, Tee und Porridge aufgießen, die ersten Sachen im Rucksack verstauen, Essen, Laufsachen anziehen, die restlichen Sachen in den Rucksack…den Schlafsack in den winzigen Beutel stopfen für mich immer wieder eine Herausforderung…Sonnencreme auftragen, Wasser fassen und ab an die Startlinie. Are you happy? Are you ready? Are you crazy? Yes, Yes, Yes😊 Auch wenn ich seit Australien viele Läufe absolviert habe, für mich immer wieder der schönste Start. Ich brauche keine laute Musik, tobende Menschen. Irgendwie hat sich das total geändert. Für mich ein Gefühl des nach Hause kommen.
Heute (1. Etappe) stehen die ersten 37 km auf dem Plan. Als wir starten, ist der Himmel noch etwas bedeckt und sehr angenehm. Aber später wird es dann, wie eigentlich jeden Tag, sehr heiß. Aber das weiß ich ja vorher, wenn ich in der Wüste laufen will. Wir laufen durch das Moon Valley eine traumhaft schöne Mondlandschaft. Ich bin total begeistert, könnte eigentlich immer wieder stehen bleiben und Fotos mit der kleinen Kamera. Jérôme hat uns hier Affen versprochen. Leider sehe ich keine, höre nur deren Geräusche. Wen ich allerdings sehe ist Brigid vor mir. Sie ist eigentlich immer in Reichweite. Wenn ich aber wieder einmal ein Foto mache oder auf Toilette muss, war sie wieder etwas weiter weg. Ursprünglich war mein Plan für die Tage mit Freude bis ins Ziel laufen. An eine Platzierung habe ich absolut nicht gedacht. Jetzt, wo Brigid so unmittelbar vor mir war, kam dann doch etwas der Ehrgeiz durch wenigstens eine Etappe zu gewinnen. Wenn ich laufen konnte, war ich schneller als Brigid und so konnte ich dann auch tatsächlich an ihr vorbeilaufen. Da es aber immer wärmer wurde und ich mein Wasser in die vorderen Trinkflaschen umfüllen musste…ohne Wasser wollte ich nicht die letzten paar Kilometer laufen…war sie wieder an mir vorbei. Also wieder die Beine in die Hand und los. Letztendlich bin ich wenige Minuten vor ihr durchs Ziel. Ich war total happy. Jérôme meinte noch, dass ist die erste Etappe und hat nichts zu sagen. Ja das wusste ich und eigentlich hatte ich eher Angst, mich schon am ersten Tag verausgabt zu haben…aber eine Etappe bei so einem Etappenlauf als erste Frau zu finishen…das war schon einmal richtig gigantisch und kann mir auch niemand mehr nehmen. Das Camp lag wunderschön und gemeinsam mit Marco Jaeggi und Rene Städler haben wir den Nachmittag verbracht und Kaffee getrunken. Wir waren alle mit unseren ersten Tag zufrieden und konnten einfach nur genießen. Auch die Tage nach der Ankunft verlaufen immer gleich…Wasser fassen, Recover trinken, Rucksack auspacken, Kaffee trinken…der Instantkaffee löst sich auch im kalten Wasser auf😊, die Zeit mit den anderen Läufern genießen, die Füße verarzten lassen, Körperpflege so gut es geht, Wasser kochen, Abendessen, Briefing, etwas Dehnung, nochmals Wasser fassen und meistens waren wir gegen 19.30 Uhr schon wieder im Bett. Und in der Nacht immer wieder dieser einmalige Sternenhimmel. Da wir jetzt wirklich außerhalb jeglicher Lichtquellen waren, wurde er gefühlt von Tag zu Tag immer intensiver.
Für die 2. Etappe über 70. Km wurden wir in Startwellen eingeteilt. Ich war in der ersten Gruppe. Als erstes wurden wir ca. 6 km zurück auf eine breite Schotterpiste gefahren. Dort war pünktlich 7.00 Uhr der Start. Es war kalt, neblig und es hat genieselt…nicht wirklich mein Wetter. Aber so konnte ich wenigstens die ersten 8 km gut laufen. Danach ging es für 45 km einfach nur gerade aus. Die ersten 20 km an einer Pipeline entlang. Auch die Umgebung war nicht wirklich motivierend, da war wirklich nichts außer eben dieser Pipeline. Aber so konnte man sich wenigstens nicht verlaufen😊. Auch heute war Brigid immer in Reichweite. Kurz vor dem CP 3 bei 53,5 km war ich dann auch an ihr vorbei. Unser Abstand war aber nicht so groß und ich merkte, dass ich auf keinen Fall mehr schneller laufen konnte und wollte und so fand ich es total blöd, so kurz vor ihr herzulaufen. Also fragte ich Brigid, ob wir nicht gemeinsam bis ins Ziel gehen wollen. Die Strecke war auch nicht mehr so eintönig. Die ersten Berge in der Ferne konnte man sehen, es war wieder etwas kurviger und allmählich ging die Sonne unter. Ein traumhafter Sonnenuntergang machte die Anstrengung erträglicher. Wir hatten heute ein CutOff von 12 Stunden. Brigid meinte zwar, wir könnten auch etwas länger brauchen. Zu mir hatte Jérôme allerdings gesagt, dass er keine Zeit mehr gibt. Das Risiko wollte ich nicht eingehen und so habe ich immer wieder etwas gedrängelt und auf die Uhr geschaut. Drei Minuten vor dem CutOff sind wir dann durchs Ziel an der Bloedkoppe. Eigentlich ist das ein besonderer Berg und Anziehungspunkt für die Touristen. Aber wir haben davon nichts gesehen, da es schon dunkel war. Auch alles andere musste etwas schneller gehen. Am wichtigsten waren mir heute meine Füße. Also relativ schnell zu Seb Mi. Es war schon sehr kalt und so habe ich mir in meinen Schlafsack eingekuschelt die Füße verarzten lassen.
Am Tag 3 stehen 41 km auf dem Plan. Auf Grund der langen Etappe vom Vortag wollte ich es heute ruhig angehen lassen. Aber irgendwie lief es zu Beginn richtig gut. Bis zum ersten CP nach ca. 14 km war ich für meine Verhältnisse ziemlich flott unterwegs. Aber kurz später machten sich die Kilometer vom Vortag bemerkbar und ich war einfach nur müde, kraftlos und hätte eigentlich heulen können. Da vielen mir doch tatsächlich die Push´s von Ringana ein. Die hatte ich zu Hause zwar getestet, allerdings nur in kleinerer Dosis und somit nichts gemerkt, aber man kann ja nie wissen. Also 5 dieser Kapseln runter und was soll ich sagen, kurz darauf lief es wieder richtig gut. Die Strecke war hier zwar nicht gerade toll, immer leicht bergan und sehr eintönig. Nach ca. 35 km wurde es zum Glück wieder schöner, leicht wellig, gut laufbar und die Landschaft einmalig. Die Temperaturen heute zum Glück nicht so heiß. Tiere habe ich heute auch gesehen…naja einen Geko mitten auf dem Weg und Giraffen in der Ferne. Die schnellen Läufer hatten diese noch direkt neben dem Weg. Mir war das leider nicht mehr vergönnt. Auch heute war das Camp wieder in einer wunderschönen Landschaft eingebettet. Den Nachmittag habe ich wieder gemütlich mit Marco und René verbracht, die Sonne genossen und Energie für den nächsten Tag getankt. Die Nacht soll es richtig kalt werden. Es wurden Temperaturen von bis zu -1 Grad vorhergesagt. Also warm anziehen, das Inlett noch zusätzlich in den Schlafsack ziehen und schön einkuscheln.
Am Tag 4 hieß es 44 km zu laufen. Die ersten 32 km waren richtig toll, gut laufbar, landschaftlich schön, immer hoch und runter. Und dann mussten wir auf einen breiten Schotterweg abbiegen. Einfach immer geradeaus, hoch und runter, die Landschaft eintönig…außer dürrem Gras gab es nichts und es war heiß. Die Kraft war raus und so bin ich heute wirklich total erschöpft aber glücklich ins Ziel gelaufen. Zum Glück hatte ich wieder ausreichend Zeit zur Regeneration und wir hatten ein kleines Erdmännchen direkt bei uns neben den Zelten. Als ich beim Arzt war, saß es direkt unter meinem Stuhl. Hach war das niedlich😊 Heute war der Sonnenuntergang gefühlt besonders schön, auch der Sternenhimmel. In der Nacht kam ein heftiger Sturm. Man hatte das Gefühl, das Zelt fliegt weg und es war furchtbar laut im Zelt. An Schlafen war nur wenig zu denken.
38 km an Tag 5 klingen schon mal wieder etwas besser und der Rucksack ist ja auch schon sehr leicht geworden. Die ersten 5 km gehen richtig gut und dann wird der Wind immer stärker…natürlich von vorn. Und so kann ich bis zum CP1 nach 13 km nur noch gehen und versuche mich ziemlich klein zu machen. Dann wurde es wieder besser und es hat wieder richtig Spaß gemacht, immer wellig hoch und runter und so wechsle ich immer von laufen und schnellen walken. Die letzten 11 km geht es dann an einer befahrenen Schotterstraße lang. Die Autofahrer winken mir wie damals in Australien zu. Ich weiß nicht auf wie vielen Fotos und Videos jetzt weltweit zu sehen bin😂 Mitunter rede ich auch mit den Fahrern und erkläre, was wir hier machen. Auf dem Heimflug werden wir später von einem Pärchen angesprochen, die uns unterwegs gesehen haben. Rene hatte noch die Startnummer am Rucksack und so wurden wir erkannt😊Für die Entfernung habe ich absolut kein Gefühl. Man sieht ein Auto oder einen Läufer und trotzdem ist er so weit weg. Ich schaue manchmal auf die Uhr, merke mir den Punkt, wo der Läufer vor mir war…und dann sind es mitunter 2 km Entfernung. Das habe ich zu Hause eher selten😊Es ist heiß und trotzdem komme ich total happy, ohne Probleme und Tiefs ins Ziel. Und das Beste… heute gab es eine Dose Cola…The best Coke ever😊 Unsere Verpflegung für die nächsten fünf Tage haben wir auch bekommen…jetzt heißt es wieder 8 kg auf dem Rücken. Auch heute habe ich den Nachmittag wieder mit Marco und René verbracht. Wir sitzen im Schatten mit den anderen und Jérôme erzählt schon kurz was uns am nächsten Tag erwartet. Heute gab es auch einen weniger gemütlichen Gast im Camp…einen Skorpion.
Der Tag 6 mit 54 km war wieder etwas länger noch dazu mit ca. 1100 hm und das mit schwerem Rucksack. Ich hatte ziemliche Angst vor diesem Tag und war innerlich sehr angespannt. Die ersten 14 km liefen trotzdem richtig gut und realtiv schnell. Es ging hoch und runter und richtig richtig runter…und wenn man unten ist, muss man auch wieder hoch. Und das jetzt richtig. Aber die Berge waren herrlich, tiefe Täler an der Seite links und rechts…ein Traum. Und dann ändert sich die Landschaft wieder, es wird wieder eintönig, fad, hoch und runter, heiß. Ich schreie in die Landschaft, die Tränen rollen…aber auch dieses Tief überstehe ich, die Strecke wieder besser laufbar, die Landschaft wieder schöner und meine Zeit wieder schneller. Ich sehe das Ziel in der Ferne und freue mich total. Zu früh gefreut, wir müssen noch einmal tief ins Tal, um auf der anderen Seite wieder hoch zu laufen. Heute wurde uns auf Grund der Höhenmeter mehr Zeit als die 10 Stunden gegeben. Immer wieder rechne ich, in welcher Zeit ich finishen kann. Allerdings fällt mir bei solchen Anstrengungen das Rechnen immer sehr schwer🙈 Und ich finishe zwar total fertig aber zufrieden noch knapp unter 9 Stunden. Meine Angst vom Morgen war also unbegründet. Und trotzdem laufen die Tränen der Erschöpfung. Die Tage sind spürbar und heute die Höhenmeter dazu. Bruno sagt zu mir: „@Romain möchte keine Tränen von mir sehen, er lacht immer und ist ein positiver Mensch gewesen.“ Recht hat er, aber trotzdem rollen die Tränen meine Wangen runter. Jetzt heißt es wieder gut erholen und zeitig ins Bett. Der nächste Tag startet schon 7 Uhr wegen der zu erwartenden heißen Temperaturen.
Die 7 Etappe mit 45 km wird ziemlich schwer für mich. Die erste Stunde lief es zwar noch relativ gut, aber es wurde schnell sehr heiß und es ging immer nur hoch und runter auf der breiten Schotterstraße. Die Autos fangen zu nerven an. Sie rasen an uns vorbei und wir stehen jedes Mal in einer kompletten Staubwolke. Das ist schon eine ziemliche Herausforderung für den Kopf. Ich werde immer langsamer, die Luft ist raus und das Knie fängt an zu schmerzen. Am CP2 tapt Bruno mein Knie und ich mache dadurch eine etwas längere Pause. Dadurch geht es jetzt wieder etwas besser vorwärts. Ca. 8 km vorm Ziel kommt Anna mit dem Auto an mir vorbei und meint, Brigid sei kurz hinter mir. Naja was macht die liebe Kerstin…Beine in die Hand und los. Noch die Pushs geschluckt und so viel wie möglich laufen. Zwischendurch immer wieder Wasser über den Kopf, den Buff, welchen ich als Kopfschutz trage, ständig mit Wasser nass gemacht. Die letzten zwei Kilometer ziehen sich dann noch einmal so richtig und das Ziel ist nicht zu sehen. Es liegt wunderbar ruhig an einigen Bäumen. Endlich geschafft und ich genieße den restlichen Tag auf der Matte im Schatten mit allen anderen gemeinsam. Diese Zeit erlebe ich immer sehr intensiv. Auch wenn wir alle andere Sprachen sprechen und mein Englisch nicht gerade gut ist, verbindet uns eine so enge Gemeinschaft. Wir freuen uns füreinander und leiden miteinander. Da braucht es nicht vieler Worte. Da ich die letzten beiden Tage doch ziemlich gelitten habe, wird mir Angst vor den kommenden zwei Tagen. Aber ich hoffe, es wird wieder besser…so wie immer. Nach Regen folgt Sonnenschein.
Die 8. Etappe mit 54 km ist noch einmal ziemlich lang. Dafür haben wir heute eine wunderschöne Landschaft mit ganz viel Abwechslung. Die ersten 17 km sind wir durch traumhafte Grasfelder gelaufen und um uns die Berge in der Ferne. Genau so mag ich es, ich bin einfach nur happy und es läuft wirklich richtig gut bis zum CP 3 nach 38,5 km. Dann wird es härter, es wird heiß und das zieht mir wieder einmal den Stecker. Und wieder müssen die Pushs die letzten Reserven raus locken. Die Landschaft ist aber so herrlich, um mich die Naukluftberge…einfach nur wunderschön. Ich genieße es und komme fertig aber glücklich ins Camp. Ich versuche mich etwas zu erholen, denn morgen wird ein langer Tag. Irgendwie merkt man doch die Anspannung der meisten Läufer. Wir werden in vier Wellen starten. Ich bin in der zweiten Startgruppe als einzige Frau. Die anderen Frauen gehen schon eine Stunde vor mir an den Start. Am Abend meinte Jérôme noch zu mir, dass ich noch eine Chance auf die Top 10 habe. Das war mir aber so etwas von egal. Ich wollte nur ankommen und das möglichst als erste Frau. Zu Brigid hatte ich mir an den Tagen einen respektablen Vorsprung erlaufen. Wenn gesundheitlich also alles klappt, sollte ich es auch schaffen. Die letzte Nacht im Zelt war kaum an schlafen zu denken. Ich war total aufgeregt, da ich keinen Laufpartner für die kommende lange Nacht hatte. Das bereitete mir schon Sorgen. Und ich war traurig, dass es die letzte Nacht ist und dann alles vorbei.
Die 9 Etappe mit 137 km startet für mich 6.00 Uhr. Da die ersten Läufer bereits 5.00 Uhr auf die Strecke gegangen sind, bin ich natürlich auch ohne den bestellten Weckruf durch unsere Helfer munter. Ich stehe total aufgeregt an der Startlinie, es ist noch dunkel und kalt. Mir laufen die Tränen und alle sprechen mir Mut zu und wieder der Satz: „Romain will keine Tränen sehen…“ Ja ich weiß…und so geht es los in die Dunkelheit für die letzte Etappe. Ich hatte mir eine Taktik überlegt und hatte auch etwas Hoffnung, dass ich vielleicht in der Nähe von Patrick bin und mit ihm durch die Nacht laufen kann. Ich wollte die ersten zwei Stunden durchlaufen und dann so gut es geht 500 m laufen und die anderen 500 m gehen und dabei trinken, essen…Das klappte auch wirklich richtig gut. Nach ca. 1 Stunde wurde es hell und bald erreichte ich den ersten CP. Kurz darauf überholte ich unsere ersten Frauen. Die drei wollten nicht die komplette Strecke laufen und hatten viel Spaß miteinander. Wir haben kurz gesprochen und weiter ging es. Jetzt wird es auch warm und ich kann endlich die Jacke und die Ärmlinge ausziehen. Am CP 2 verlassen wir die Schotterpiste und laufen auf einem nicht befahrenen breiten Weg. Aber gefühlt geht es heute wieder immer gerade aus und später auch wieder nur noch hoch und runter. Und so komme ich automatisch immer in den Wechsel gehen laufen. Aber meine Zeit ist relativ konstant. Nach ca. 35 km überhole ich Brigid. Ich war total überrascht, denn ich habe jetzt also innerhalb dieser Strecke eine Stunde rausgelaufen. Ihr geht es aber leider nicht so richtig gut. Da sie eine sehr starke und erfahrene Läuferin ist, war mir eigentlich klar, dass sie sich durchkämpft. Aber auch ich werde natürlich von den schnellen Läufern überholt, welche nach mir gestartet sind. Nach dem CP 3 nach 43 km ging es dann so richtig hoch und runter…also kurz und steil hoch und kurz und steil wieder runter. Oh man…wer den Mad Chicken Run kennt, weiß wovon ich spreche😊 Irgendwann kam auch Marco an mir vorbei. Er musste heute das erste Mal auch in der Hitze laufen. Die anderen Tage konnte er sich da schon lange im Schatten erholen. Aber so weiß er, wie es uns die anderen Tage ergangen ist😉. Dann ging es noch einmal etwas mehr bergig nach oben und ich hatte einen wunderschönen Blick auf die Berge und das Flussbett, durch welches wir in der Nacht laufen werden. So allmählich ging die Sonne unter, immer wieder ein schönes Schauspiel. Ursprünglich war für mich der CP 5 als Stopp für mein Abendessen geplant. Anna meinte aber, ich soll bis zum nächsten CP laufen, dort gibt es dann ein Feuerchen und mehr Platz. Also habe ich nur das Wasser nachgefüllt und bin weiter. Das war zwar nicht ganz so gut…ich hatte schon ganz schön Hunger und bis zum nächsten CP waren es noch über zwei Stunden, dafür habe ich das beste Sonnenuntergansfoto von allen. Shams Adrien Nisan hat die Situation sofort entdeckt und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort…der perfekte Moment. Es dauerte auch nicht mehr lange und ich war mit mir, der kompletten Dunkelheit, meiner Stirnlampe und der vielen Flugtierchen im Lampenschein und Millionen Sternen alleine. Es war schon etwas unheimlich. Immer wieder sah man eine Stirnlampe, dann war sie wieder weg, Egal ob vor oder hinter mir. Es ging eben wirklich immer hoch und runter und hin und wieder um Kurven. Und ich hatte absolut kein Gefühl, wie weit die Lampen entfernt sind. Ein Auto hielt an, für mich eine kleine Schrecksekunde, und der Fahrer fragte, ob ich OK bin. So etwas verrücktes hatte er auch noch nicht erlebt. Ich habe nur geantwortet, dass er noch einige Läufer überholen wird und wir betreut werden. Irgendwann komme ich am CP 6 an und mache meine längere Pause. Ich hatte mir bereits vorher überlegt, dass ich nichts warmes essen werde. Dazu hätte ich Wasser kochen müssen und letztendlich viel bringe ich meistens sowieso nicht runter. So hatte ich mir die Tage vorher meine Portionen veganes Trockenvleisch aufgespart. Das war lecker und zu dem Zeitpunkt genau richtig. Mein Plan vielleicht doch noch mit Patrick gemeinsam zu laufen war auch dahin. Kurz nachdem ich ankam, ging er wieder los. Also weiter ging es allein durch die Nacht. Mein Blick ging immer wieder Richtung Himmel. Die Sterne waren einfach der Wahnsinn und immer wieder Sternschnuppen. Die Zeit verging ziemlich gut und auch meine Geschwindigkeit war sehr konstant. Irgendwann habe ich natürlich auch mit rechnen angefangen, wann ich ins Ziel kommen könnte. Jérôme Lollier hatte am Tag vorher noch zu mir gemeint, so gegen 9 bis 11 Uhr erwartet er mich. Wenn ich aber so weiterlaufen kann, wird es auf jeden Fall eher. Mir hat die Erfahrung vom Traildorado.com so sehr geholfen. Ich habe mir diesen Lauf immer wieder in den Kopf geholt, wie ich da die 24 Stunden durch die Nacht gekommen bin und ich war über mich selbst überrascht, wie konstant und immer noch relativ schnell ich nach diesen langen Tagen mit dem Rucksack unterwegs bin. Anna und Seb kamen immer mit dem Auto an mir vorbei. Sie kannten mich noch von Australien und wie es mir da ging. Ich konnte immer wieder nur sagen, dass ich noch gut drauf bin. So erfuhr ich aber auch, dass Rene und Giuseppe De Rosa hinter mir sind. Ein kleiner Lichtblick, vielleicht doch bald in Begleitung laufen zu können. Irgendwann funkelten zwei Augen auf einem Baum auf mich herab. Oh je, hatte ich einen Schiss und dazu noch Tiergeräusche aus dem Dickicht in der Ferne. Ich war froh, als ich vorbei und etwas weiter weg war. Seb meinte später, es waren Affen. Am CP7 habe ich nur kurz Wasser gefasst. Als ich ging kamen gerade Rene und Giuseppe. Irgendwie hatte ich Hoffnung, dass die Beiden mich bald einholen. Leider falsch gedacht. Die Zwei brauchten eine längere Pause. Jetzt kam mein Tief. Es war so gegen 2 Uhr morgens. Die Pushs hatten nicht wirklich lange geholfen und so musste Roland Kaiser herhalten. Den MP3 rausgeholt, Kopfhörer ins Ohr und los ging es. Mich hat ja niemand gehört. Laut singend, tanzend…wenn man es noch so nennen kann bin ich weiter, voll motiviert, zügig voran…eigentlich fast zu zügig…ich habe mein Herz laut pochen hören. Aber es hat geholfen. Und so bin ich am CP 8 angekommen und noch ca. 17 km vor mir. Anna und Seb haben mit mir geschimpft, da ich zu wenig getrunken habe…recht habt ihr, also wieder richtig Wasser aufgefüllt und jetzt kamen auch die zwei Männer. Also sind wir jetzt zu dritt weiter. Ich hatte mir das zwar etwas anders vorgestellt, aber an Kommunikation war bei den Beiden nicht zu denken. Also sind wir so ähnlich wie die Olsenbande hintereinander weiter gegangen😂 Ich konnte gut Schritt halten und ich denke, mental war ich am besten von uns dreien drauf. Die einzigen Worte waren immer “Car from behind” oder “I have to go to the toilet” Also habe ich auf eine Seite die Ohrstöpsel wieder reingesteckt und Roli gehört. Rene konnte damit natürlich nichts anfangen. Die Kilometer zogen sich extrem. Erstaunlicherweise war es nicht so kalt wie erwartet (es wurde immer erst in den frühen Morgenstunden kalt) und so brauchte ich nur noch meine dünne Jacke anziehen. Die Ärmlinge hatte ich schon früher angezogen. Gegen 5 Uhr hatten wir noch ein wunderschönes Schauspiel am Himmel. Die Mondsichel kam leuchtend am schwarzen Himmel hervor. Und nicht wie bei uns seitlich sondern auf dem Rücken liegend und ein stark leuchtender Stern, ich denke die Venus, aber ich habe dazu nichts gefunden, direkt darüber. Die letzten Kilometer zogen sich immer mehr. Und trotzdem realisierten wir, jeder für sich, dass wir es geschafft haben. Ich merkte, wie René mal etwas sentimental wurde, Giuseppe wollte nur noch ins Ziel und meckerte vor sich hin, dass es noch nicht in Sicht war und ich wurde immer fröhlicher. Ein Lied hatte ich dann zum Schluss in Dauerschleife und habe es laut mitgesungen. Der Text war einfach nur passend. Ich denke, auch René ging es dann etwas nah. Hier paar Zeilen:
Wenn du weinst, dann lach deine Tränen fort…
Wir laufen und wir tanzen
Werden Teil von etwas ganzem
Der perfekte Augenblick, dein Moment
Wie sind hier, wir sind nicht allein
Wir werden heute unsterblich sein
Jetzt ist Zeit für Unendlichkeit
Das Beste am Leben
Wir sind frei, wir sind Ewigkeit
Auf das wir und das alles bleibt
Halt’s gut fest, nur für dich allein
Das Beste am Leben
Und es kommt noch besser…ein Drehbuch hätte es nicht besser hinbekommen können. In der Ferne sehen wir endlich, dass wir die Schotterpiste verlassen können und das Ziel zum Greifen nah ist. Und genau zum Sonnenaufgang kommen wir ins Ziel. Ich kann mich nicht mehr halten, René meint nur noch, ich soll loslaufen. Er wollte mir mein Finish ganz alleine lassen und die Zwei wollten definitiv nicht mehr schneller. Laufend, tanzend, lachend überquere ich nach ca. 25 1/4 Stunden die Ziellinie. Jérôme und Bruno nehmen mich in Empfang. Überglücklich falle ich den Beiden in die Arme. Alle anderen stehen am Rand und freuen sich mit mir. Mein Blick geht zum Himmel und ich bedanke mich bei Romain für seine mentale Unterstützung. Jetzt kommen auch René und Giuseppe. Alle Läufer, die nicht die komplette Strecke laufen konnten, sind am frühen Morgen noch die letzten Kilometer vom CP8 bis ins Ziel gelaufen. Und so nach und nach kommen alle im Ziel an. Die Freude von uns allen ist einfach nur riesig. Wir freuen uns alle miteinander über die erbrachten Leistungen. Die letzten 12 Tage haben uns zusammengeschweißt, aus Fremden werden Freunde. Und einige davon bleiben fürs Leben. Ein ganz großes Dankeschön geht an Jérôme, Christelle und das ganze Team. Ihr seid immer für uns da, seid früh zeitig die Ersten und abends die Letzten. Für mich ein Gefühl einer großen Familie. Mit großer Dankbarkeit und natürlich auch Stolz über den 10. Platz gesamt und 1. Frau blicke ich auf diese Zeit zurück.


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