Text und Inhalt von Hartmut Kohn:
Sonnabend um 04.00 Uhr aufgestanden, kurz ins Bad und gefrühstückt. Mit der MFG zum Start gefahren. Dana Liebeck meine Laufbegleitung hatte mich abgeholt. Das Erika-Hess-Stadion war schon gut gefüllt. Bis zum Start der Einzelläufer waren es nur noch wenige Minuten. Ausrüstung überprüft. Der Tracker von Racemap war an, mein Garmin Oregon bereit. Pünktlich ging es los. Somit begannen die 100 Meilen von Berlin. An der nächsten großen Kreuzung hatte die Polizei Berlin für uns temporär eine Straßenkreuzung gesperrt. Danke PD Berlin. Km 6. Hier gab es kühles Wasser und ein Lächeln der Helfer. Weiter, weiter war die Parole. Ein erster Fan an der Strecke Hannah Brandner grüßte freundlich. Km 16. Dana machte ein kurzes Foto. Eigenverpflegung durfte hier noch nicht gereicht werden. Auch nicht für mich mit meinen Allergien. Somit war mein Rucksack voll mit Sachen von GU-Germany. Am VP3 konnte ich noch ein Frühstücks-Ei erwischen. Sonst hieß es unterwegs an den Verpflegungsständen überwiegend Vegan. Durch meine Einschränkungen stehe ich diesem Thema speziell entgegen. Tolerant ja, aber speziell. Km 21/42. Halbmarathon und der 1. Marathon waren bald im Kasten. Das waren im Prinzip nur Zahlen. Zahlen ohne große Bedeutung. Der Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich den Kanzler in Teltow verpasse. Dafür war meine Radbegleitung Marion Rennschnecke Caracol am VP 9/WP 1 da. Marion übernahm das Oregon und somit die Navigation. Super. Dana machte wieder Fotos und ein Video für die sozialen Medien. Für Marion und mich ging es weiter. 60 und 70 Kilometer waren bald abgehakt. Es machte Spaß. Noch hatte ich Lust zu Rennen. Km 80. Alles im grünen Bereich. Marion war eine geduldige und erfahrene Radbegleitung. Für mich ging es bald in den Tunnel. Die Selbstgespräche wurden wohl mehr. Ich bekam es nicht so mit. Irgendwann fragte Marion: “ Willste Deine Kopfhörer nicht aufsetzen?“ Okay dachte ich mir, warum eigentlich nicht? Mucke der 80er und 90er Jahre. Top Hit Udo Lindenberg mit seinem Sonderzug nach Pankow. Mit Musik lief es viel besser, ich wurde etwas schneller. Km 100. Am Kilometer 100 platzte der Knoten. Ich verfiel förmlich in einen Temporausch. Marion rief immer “ Hartmut du bist zu schnell „. Ich hätte mal auf sie hören sollen. So ging es bis Kilometer 110. Da stand der Mann mit dem Hammer und schlug brutal zu. Schwierigster Moment. Zwischen dem VP 16-17 plötzlich Alarm. Redealarm. Ein Lauf/Rad-Duo texteten sich untereinander komplett zu. Unglücklicher Weise hatten wir das gleiche Tempo. Ich fühlte mich wie ein Ehemann der am Frühstückstisch seine Zeitung lesen will und zeitgleich von der Ehefrau zu getextet wird. Das war hier mein schlimmster Moment meines Mauerweglaufs. Am nächsten VP ließen wir das Duo ziehen, damit Ruhe im Wald war. Vielleicht war das aber auch nur eine Prüfung von unserem Herrn. Der Wechselpunkt wo Dana einsteigen sollte kam immer näher. Wir hatten uns ausgemacht, dass Dana am Kilometer 124 Marion als Radbegleitung ablöst und mich laufend über die restlichen Meter bringen sollte. Es war jetzt schon lange dunkel. Das Gefühl für Raum, Zeit und Tagesablauf war längst weg. Marion war sehr geduldig, ab und zu redeten wir. Die Gespräche gingen meist von mir aus. Sie war immer lächelnd in meinem Windschatten. Ab und zu sagte Marion die Richtung an. Das Garmin machte es möglich. Die offiziellen Abbiegepfeile waren zusätzlich gut zu sehen. Km 124 / Wechsel Radbegleitung/Laufbegleitung. Das Lächeln von Dana am vereinbarten VP. Ich hatte mich etwas verspätet. Sagen wir mal 3 Stunden. Mache das mal im zivilen Leben. Das Oregon zur Navigation wurde an Dana übergeben. Beim Abbau half ich etwas, da das Garmin etwas Pflege von mir brauchte. Da fiel mir ein passender Witz ein. Den durfte und sollte ich aber nicht erzählen. Die zurückgelegte Strecke sah man mir wohl an. Essen wollte ich noch was, aber was Herzhaftes. Dana rannte los und holte mir etwas Belag für meine Maistaler. Da war ich nicht so glücklich. Denn vegan ist absolut nicht mein Ding. Margarine habe ich schon früher nicht gegessen. Ich verfiel dann auf den nächsten Kilometern in einen Mecker/Depri- Modus. Das Gute daran war, mein Kopf war abgelenkt. Ich war von meiner körperlichen Lage abgelenkt. Fazit: vegan hält dich munter und treibt dich zu mehr Metern an. Marion war jetzt nach Hause gefahren. Denn genau wie in der Kirche darf man hier beim Mauerweglauf nur einen Partner an der Seite haben. Dana lief neben mir. Mein Tempo wechselte in den Wandermodus. So richtig hatte ich zum Laufen keine Lust mehr. Bzw. mein Kopf war leer, kein Mental Akku nix. Dana spürte dass und übernahm das Kommando. Immer wieder setze sie zum Laufen an. Aber mein Kopf war dunkel. Sie blieb unnachgiebig. Aber ich wollte es so. Ich wollte es hart und ich bekam es auch so. Im Vorfeld hatte ich ihr gesagt, bring mich ins Ziel. Die Wahl der Waffen ist mir egal. Hauptsache ich erreiche das Erika-Hess-Stadion wieder aus eigener Kraft. Wir begannen uns über das Leben, deren Schönheiten, Gefahren und Träume zu quatschen. Dana spürte welche Themen mich im Wachmodus hielten. Es war genial. So ging es locker durch die Nacht. Irgendwann begann der Morgen. Es wurde hell und die Sonne begann zu strahlen. Dana mahnte vor der Hitze des Tages. Ich bekam das nicht mehr so mit. Der Schlafentzug machte sich mit allen Symptomen bemerkbar. Meine Laufbegleitung übernahm die Steuerung. “ Hartmut nicht langsamer werden“. Ein unsichtbares Band zog und schob mich immer weiter. Dana erzählte mir von den Likes und Kommentare der Community. Toll, ein Teil erreichte meine Sinne. Letztes Drittel. Berlin Stadt kam immer näher. Zum Glück. Selber konnte ich mich nicht mehr motivieren. Blut hatte ich gefühlt nur in den Beinen. Von Dana kamen viele positive Worte, obwohl meine Gespräche nicht so toll waren und ich nicht mehr lächeln konnte oder wollte. Aber sie verstand es immer wieder mich aus meinem Tal zu holen. Pausen wurden jetzt kurzgehalten. Da war sie unnachgiebig. Im Vorfeld hatte ich ihr viele Tipps gegeben, wie ich funktionierte und mit welcher Art sie mich über die Strecke führen muss. Sie hat Alles richtig gemacht. Der Helfer muss in solchen Momenten sich auf den Läufer komplett einlassen können. Die Aufgabe hat Dana hervorragend gelöst. In der Vorbereitung zum Mauerweglauf habe ich mit Dana ein paar Probeläufe absolviert, damit sie sich mit meinem Handling vertraut machen kann. Km 151. Die letzten 10 Kilometer waren die längsten und schwierigsten Meter meines Lebens. Dana sagte “ Hartmut genieß doch diese Meter“. Ich wollte mir eher was hinter die Binde gießen. Die Straßen und Wege waren wir vertraut, aber allein fehlte mir der Sinn zur Navigation. Zieleinlauf. Im Stadion konnte ich sogar wieder rennen. Die Runde im Innenbereich war einfach nur schön. Alle Anstrengung viel ab. Die zahlreichen Zuschauer klatschten uns um die Runde. Das Finishershirt hatte ich mir besser gesagt, wir hatten es uns verdient. Danksagen. Dana, Marion und allen Helfern (2/3 waren gefühlt weiblich) möchte ich von Herzen und meiner ganzen Seele danken. Alle haben einen super coolen Job gemacht. Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet. Ohne Euch wäre ich nicht oder in einer Zeit von 29:59 Std erst angekommen. Ein ganz besonderer Dank geht an meine Mausi für Ihr Verständnis für das Event. Schließlich bin ich ja mit 2 Damen um die Ecken des Mauerwegs gezogen. Marion meine Radbegleitung: Danke für die Stunden und die Geduld mit mir. Im Vorfeld hatte ich meine Ausrüstung ungeordnet bei Dir abgegeben. Du hast da Struktur reingebracht. Dana meine Laufbegleitung: Danke für die Lauf-Zeit mit Dir. Es war genial. Meine Launen hast Du wunderbar ertragen. Stressige Momente wurden von Dir genial gelöst. Bedanken möchte ich mich bei meinem Trainer Reiner Mehlhorn, Peter Gassen für den Startplatz, meinen Sponsoren, Jörn Künstner für seine Gastfreundschaft. Danke GU für die Bereitstellung von Riegeln und Gels .Die Laufschuhe vom Laufhaus Oderwitz waren eine perfekte Wahl. Inhaber Mike Setmacher hat gut beraten. Berlin ich komme wieder. Mitläufer: Getroffen hatte ich u.a. Kerstin Kupka. Wir hatten uns immer wieder an verschiedenen VP getroffen. Mal war sie früher da, mal ich. Am Ende war sie 10 Minuten früher im Ziel. Ultralauf 10 Teilnehmer Jörn Künstner, Andre‘ Klemt und Hans-Dieter Jancker traf ich nur am Start. Am VP 16 traf ich Peter Fleischer und Sandra… als Helfer. Insgesamt waren 450 Volunteers im Einsatz. Respekt. Das Nachher. Nach dem Zieleinlauf, dass übliche Prozedere Duschen und Massage. Die Medaille und die Urkunde gab es bei der Siegerehrung um 14.00 Uhr im Hotel H4 am Alexanderplatz. Dana fuhr zwischenzeitlich mit der S-Bahn nach Oberhavel, wo unser Auto stand. Ich blieb vor Ort am Stadion und wartete. Das Zielareal wurde bald geschlossen. Mein Handy-Akku war nun auch am Ende. So ging es auf die Straße. Warten in der Großstadt. Parkbank, Sitzgelegenheiten in der grünen Umgebung von Berlin waren keine zu finden. Hilfe von Helfern des Events wurde mir angeboten. Aber ich hatte Angst Dana zu verfehlen. Da blieb nur ein Warten auf der Straße übrig. Ich wurde noch hingewiesen, auf mein Gepäck aufzupassen. In der Situation habe ich meinen Schlafsack ausgerollt und direkt an der nächsten Brücke gepennt für ein paar Momente. Kein schöner Moment. Ich war quasi ohne Obdach. Mein traurigster Moment der 100 Meilen. Dann war Dana mit ihrem Auto da, hurra. Sachen und mich selbst zum Auto geschleppt. Ab zur Siegerehrung, Dana schlief in dieser Zeit in ihrem Auto. Siegerehrung. Die Siegerehrung war super, so was habe ich noch nicht erlebt. Alle Finisher durften auf die Bühne. Begonnen wurde mit den 3 besten Läufern. Besser gesagt Läuferin. Gewonnen hatte eine Frau aus Norwegen mit 42 Minuten vor dem ersten Mann. Dann ging es los wer unter 30, unter 29, gelaufen war. Bei der Gruppe unter 29 Stunden war ich dabei. Tolles Erlebnis in der Gruppe der Finisher dabei zu sein. Es war ein schöner langer Lauf.