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Vor 49 Jahren organisierte der 1927 in Cottbus geborene Heinz Florian Oertel den ersten Neujahrslauf in Berlin (Ost). Heinz Florian Oertel ist ein ehemaliger deutscher Reporter, Moderator und Schauspieler. Er war jahrzehntelang als Sportkommentator im Hörfunk und im Fernsehen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) tätig und bei den Hörern und Zuschauern außerordentlich populär. Auch beim Dresden Marathon ist er schon als Moderator in Aktion gewesen. Bekannt ist er vor allem durch sein Ausruf „Liebe junge Väter vielleicht oder angehende, haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar! Waldemar ist da!“, mit dem er während der Live-Berichterstattung im Fernsehen den zweiten Marathon-Olympiasieg des DDR-Läufers Waldemar Cierpinski bei den Olympischen Sommerspielen 1980 in Moskau am 1. August 1980 kommentierte.

1990 wurde dann gemeinsam mit Horst Milde, einem ehemaligen deutschen Leichtathleten und Begründer des Berlin-Marathon der Neujahrslauf im vereinigten Berlin mit mehr als 25.000 Teilnehmern organisiert. Besonders schwierig war damals die Streckenfindung, da die „Löcher“ in der Mauer noch nicht so groß waren, um das Läuferfeld durch beide Teile Berlins zu führen. Kurzerhand räumten ein paar Grenzsoldaten der DDR ihre Kontrollhäuschen am Brandenburger Tor zur Seite und schafften damit Platz. An diese Ereignisse erinnerte Horst Milde beim diesjährigen 49. Neujahrslauf in Berlin. Gestartet wird vor dem Brandenburger Tor und das Läuferfeld wird von Zugläufern (besser Bremsläufern) gemächlich Unter den Linden bis zu Platz vor dem Roten Rathaus geführt, um den Dom herum über 4 km zum Brandenburger Tor zurückgeführt. Die Teilnahme ist kostenlos. Es kann aber für die Björn-Schulz-Stiftung gespendet werden, die Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern im Alter von 0 – 27 Jahren begleitet mit dem Sonnenhof-Hospiz für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, verschiedenen ambulanten Diensten, mit Möglichkeiten für Nachsorge und Erholung sowie Trauerangeboten für die Zeit nach dem Tod des Kindes.



Zuerst einmal: die Laufwettbewerbe anlässlich der Weißen Nächte finden (leider) nicht in der Nacht, sondern klassisch am Morgen statt.

Ralf hatte uns frühzeitig fast ein Jahr zuvor für den Marathon bzw. mich für die 10 km Strecke für Sonntag, den 30. Juni dieses Jahres angemeldet. Andere Streckenlängen werden nicht angeboten.

Nach der Germania-Pleite hatten wir umgebucht auf Aeroflot, über Booking.com ein sehr günstiges, aber auch sehr gutes Hostel in einer ruhigen Parallelstraße des Newski-Prospektes bekommen. Bei insgesamt 8 Tagen Aufenthalt möchte man ja nicht das ganze Budget für ein Hotel ausgeben. Nur gut, dass die Russischkenntnisse nicht ganz verschüttet waren.

Um die Startunterlagen abzuholen, war ein Ausflug zum Park Pobeda nötig. Eine der zahlreichen Qualitäten dieser Stadt: Sie ist unheimlich grün, die zahlreichen gut gepflegten Parks werden von den Menschen genutzt, sie gehen spazieren, sitzen oder liegen auf den zahlreichen Bänken oder auf der Wiese. An jeder Bank links und rechts ein Papierkorb. Und natürlich kommt man mit der Metro.

Die Startnummernausgabe im Sportzentrum ist perfekt organisiert, ohne Wartezeit erhalten wir die Startnummern und je ein T-Shirt. Als Sponsoren präsentieren sich u.a. die Bierfirma Baltica mit verschiedenen Sorten alkoholfreiem Bier sowie ein isländischer Joghurthersteller. Ziemlich interessant ist die Präsentation der osteuropäischen Laufszene mit sehr interessanten Läufen in Samarra, Kasan, Omsk, natürlich den baltischen Hauptstädten und Jekaterinburg sowie Trails rund um St. Petersburg. Alles hochprofessionell.

Am Lauftag ist es morgens sonnig, schon etwas windig bei ca. 16 Grad Celsius. Der Marathon startet um 8:00 Uhr, die 10 km 30 Minuten später. Natürlich fahren wir mit der Metro und sind positiv überrascht, dass die gesamte Veranstaltungsorganisation für die insgesamt 11.000 Läufer sehr übersichtlich auf dem riesigen Schlossplatz Platz findet. Sogar die Toiletten sind ausreichend. Das einzige Manko: die Abgabe und dann auch wieder Ausgabe der Kleiderbeutel war personell absolut unterbesetzt, es bildeten sich riesige Schlangen und kurz vor dem Start warfen die Läufer ihre Beutel, die sie nicht mehr losbekamen, einfach über die Absperrung in die Aufbewahrungszelte hinein.

Die 10 km-Strecke war eine schöne Sightseeingtour rund um die Peter- Pauls-Festung und über zahlreiche Newabrücken. Auf den endlos breiten Straßen lief es sich gut. Es gab sogar Zeitläufer für 50 Minuten und eine Stunde sowie eine Verpflegungsstelle mit Wasser nach 5,5 km. Viele Straßenbands und Zuschauer unterwegs. Da ich wieder einmal einem Anfängerfehler erlegen bin, viel zu schnell gestartet zu sein, musste ich zum Schluss draufzahlen und war mit 57 Minuten nicht gerade zufrieden.

Die Marathonstrecke verlief in Schleifen oft direkt an der Newa entlang über mehrere Inseln. Dadurch war es etwas ruhiger an der Strecke. Ein Abstecher führte aber auch durch die Innenstadt, am Faberge-Museum vorbei, den Newski-Prospekt querend und dort um diese Zeit ein Verkehrschaos verursachend. Leider gab es nur alle 5 km Kilometerangaben. Als Verpflegung wurden Bananen, Rosinen und Weintrauben, Brot, Zucker und Salz, sowie Wasser in Halbliterflaschen – etwas unpraktisch – angeboten. Das war alles etwas unübersichtlich.

Auf der Strecke nahm der Wind ständig zu, die letzten 8 km entlang der Newa und immer geradeaus waren ziemlich heftig und haben enorm Kraft gekostet. Keine Strecke für Rekordzeiten! (Streckenrekord aus 2003: 2:11:46). So war Ralf mit einer Zeit von 4: 02 Stunden recht zufrieden.

Auch die Medaille ist erwähnenswert: Sie ist drehbar

Ein Blick in die Ergebnisliste relativiert den Anspruch „internationaler Marathon“ etwas: unter den ersten Hundert Marathonis kommen ab Platz 90 die ersten ausländischen Starter – ansonsten sind die Russen doch sehr unter sich. Dem positiven Lauferlebnis tut dies aber keinen Abbruch.

Man kann den Lauf sehr empfehlen, es ist zwar windanfällig, aber es wird auf der Strecke nie langweilig. Die Startzeit ist angenehm, es ist immer ausreichend Platz auf der Straße und die einzigen Erhebungen sind die Brücken – für alle diejenigen, die keine Hügel mögen.
http://wnmarathon1.tilda.ws/

Nach unserer üblichen Marathonregenerationszeit – duschen, ein paar Stunden schlafen, gut essen – starteten wir in unsere „weiße Nacht“.

Das ist hier ein must have: nach Mitternacht auf ein Boot auf der Newa! Am Ufer und auf den Brückenenden sammelten sich Tausende Schaulustige.  Um 1:00 Uhr starteten gefühlt 100 Ausflugsboote mit jeweils 100 Fahrgästen an Bord gleichzeitig und sammelten sich vor der Dvorzovy Most gegenüber der Admiralität. Um 1:30 öffnete sich diese, alles jubelte und die Bootskarawane fuhr weiter zur nächsten, der Troijcky Most vorbei an der Peter-Pauls-Festung. Dann öffnete sich auch diese und so ging es noch eine Stunde lang weiter. Die Brücken öffnen sich sehr verschieden: einige in zwei Teilen in der Mitte, einige von links oder rechts mit nur einem Brückenarm.

Als die Boote alle langsam wieder zum Ausgangspunkt zurückfahren, um nacheinander die Fahrgäste wieder an Land zu lassen, sahen wir zahlreiche große Hochseepötte, die die  freie Durchfahrt von der Ostsee am Finnischen Meerbusen zum Ladogasee oder zu Entladestationen entlang der Newa nutzen.

Wir waren gegen 3:15 auch wieder an Land, da war es schon wieder richtig hell. Allerdings fährt dann keine Metro mehr. Also zu Fuß die 3 km zum Hostel durch eine Stadt, die kaum ruhiger ist als am Tage! Viele Gaststätten haben rund um die Uhr geöffnet, Hotdoc-Verkäufer hofften noch immer auf Kunden und Musiker und Bands spielten auf der Straße. Auch der Autoverkehr war nur unwesentlich weniger. Gegen 4:00 Uhr im Hostel angekommen, überlegten wir, ob sich schlafen gehen jetzt noch lohnte.

Falls jemand fragt, wie man sich dann noch eine ganze Woche in St. Petersburg beschäftigen kann, hier unsere Erfahrungen:

Ein Tag Eremitage (nach Online-Vorbuchung) sowie dazugehörig die europäischen Ex- und Impressionisten im gegenüberliegenden ehemaligen Generalstabsgebäude. Letzteres bietet innen die absolute Überraschung: präsentiert es sich doch als hochmodernes architektonisch sehr ansprechendes Museum.

Ein Tag Peter-Pauls-Festung sowie Bootsfahrt durch die Kanäle oder – wenn dort das Wasser zu hoch steht – um die nördlichen Inseln herum zu den modernen Sport- und Bürobauten.

Ein Tag Zarskoje Selo in Puschkin mit Katherinen-Palast und Bernsteinzimmer – auch unbedingt vorbuchen, sonst stellt man sich hinter der „chinesischen Mauer“ einige Stunden an.

Zwei Tage lang den insgesamt 4,5 km langen Newski-Prospekt zu Fuß entlang und die zahlreichen Sehenswürdigkeiten links und rechts davon besichtigen: Isaak-Kathedrale, Auferstehungskirche, Faberge-Museum … Zwischendurch gibt es genügend Parks für eine Mittagsruhe auf der Wiese.

Auch kann man überall und zu jeder Tageszeit (!) gut und preisgünstig essen und trinken, in den beliebten traditionellen und guten Stolowajas (Selbstbedienungsgaststätten mit jeweils mehreren Vorspeisen, Fleisch, Fisch, Beilagen und Desserts), aber auch bei Italiener, Spanier, Chinesen… – eine sehr große Auswahl.

Trotz des guten öffentlichen Nahverkehrs läuft man viele Kilometer. Bei der Reisevorbereitung muss man an gute Schuhe, Bekleidung gegen Regen und Wind denken – aber chic sollte diese trotzdem sein! Sonst wird man sofort als „Touri“ erkannt und fühlt sich aus so!



TransAlpineRun 2019

Normalerweise müsste ich im siebenten Himmel schweben, ich habe gemeinsam mit Gunnar Schwan den TransAlpineRun 2019 gefinisht, zwar langsam so wie es sich für Weinbergschnecken gehört, aber gefinisht. In acht Tagen ca. 277 km und 16.150 HM im Aufstieg von Oberstdorf nach Sulden. Von 600 Startern sind rund 100 nicht komplett ins Ziel gekommen. Und trotzdem schwebe ich nicht. Nur allmählich, wenn ich mir die Bilder und Videos anschaue, kommt Freude auf. Auf Grund meines Tattoos wurde ich oft bezüglich Australiens angesprochen und gefragt, was einfacher wäre. Da gab es für mich nur eine Antwort, Australien natürlich. Das war auch anstrengend, ich habe auch jeden Tag das Outback angeschrien und trotzdem war es anders. Ich hatte im Ziel sofort alle Anstrengungen vergessen, nur die schönen Momente, die einmalige Landschaft im Kopf und ich war unsagbar stolz und dankbar für das Erreichte. Und ausgerechnet jetzt, wo ich beginne zu schreiben, kommt die aktuelle Running auf den Markt, mit dem Bericht von Andrea Löw über „The Track“ und einem Foto gemeinsam mit mir. Ich vermisse diese kleine Familie und das gesamte Drumherum so sehr. Auch PielGabriekel hat diese Woche mich als Teilnehmerin mit der letzten Startnummer 44 vorgestellt. Diese Erinnerung ist so einmalig und überschattet momentan noch immer alles.

Mein Training nach Australien für den TAR musste leider eher gering ausfallen. Immer wieder hatte ich Probleme mit der Achillessehne. Das Laufen viel mir schwer. Ich hatte wirklich das Gefühl, über die Strecken zu schleichen bzw. tat es auch. An jeden kleinen Anstieg kam ich eigentlich außer Puste und die Sehne zwickte. Christian Gertel hatte es nicht einfach, den Plan auf mich und meinen aktuellen Zustand abzustimmen. Nur zum Nachtlauf lief es mal richtig gut, für mich verhältnismäßig schnell und ohne Probleme. So schöpfte ich wieder Hoffnung, über die Alpen zu kommen. Ich wusste, dass ich eine gute Grundlage und einen starken Kopf habe, das musste reichen und die Sehne halten.

Und so reisten wir gemeinsam mit Mathias Klemm, Swen Smigaj, Anne Skomski und Thomas Drechsler in Oberstdorf an. Ganz lieben Dank hier noch einmal an Mathias für die Mitfahrgelegenheit. Angekommen bei herrlichem Wetter, die Freude auf die Berge wuchs, die Startunterlagen geholt, die restlichen Dresdener und Sachsen begrüßt und schon ging es in unser Hotel in Oberstdorf. Wir hatten die Luxusvariante mit Sommerkind Trailrunning Tours gewählt und so wurden wir täglich zum Start bzw. zurück vom Ziel ins Hotel gefahren. Gerade der Rücktransport war sehr komfortabel, wir sind mitunter wirklich total durchgefroren und durchnässt direkt ins Auto und zum Hotel. Die Koffer standen auf dem Zimmer genau wie täglich Wasser, für mich Mandel- oder Hafermilch fürs Frühstück (es wurde auf alle Verträglichkeiten und Sonderwünsche beim Essen eingegangen), Obst und was Kleines zum Naschen. Noch im Auto vereinbarten wir die Termine für die Massage, welche im Reisepreis inbegriffen war. Auch zur Pastaparty konnten wir gefahren werden, wenn wir es gewünscht haben. Im Startbereich stand immer jemand, dem man noch kurz vorher eine Jacke in Hand drücken konnte. Das alles war wirklich Luxus und ich habe die höhere Geldausgabe absolut nicht bereut. Ganz lieben Dank an Till Schneemann, Carmel TrailTurtle Hild, Daniel, Elke Weisener und Astrid!

Am Samstag ging es dann endlich los. Allerdings war ich nicht wirklich aufgeregt, ich freute mich nur auf die Berge. Auch in Australien war ich nicht aufgeregt, sondern voller Freude und trotzdem war es anders. Es erklang das legendäre „Highway to hell“ und alle schossen los. Mir wäre das einfache, ruhigere „ Are you Crazy? Are you Happy?” bedeutend lieber gewesen. Bei Sonnenschein gestartet sind wir von Oberstdorf ca. 39 km und 2343 HM im Aufstieg und 1714 HM im Abstieg nach Lech am Arlberg gelaufen. Die Landschaft traumhaft, nur leider hat uns hier bereits zum Ende des Laufes das erste Mal der Regen erwischt und so sind wir ziemlich schnell ins Hotel gefahren.

 

Der zweite Tag von Lech nach St. Anton am Arlberg über 28 km und 1787 HM im Aufstieg und 1919 HM im Abstieg war im Prinzip traumhaft, wenn uns nicht die CutOff-Zeiten so wie auch schon am ersten Tag im Genick gesteckt hätten. Das Wetter war traumhaft, die Landschaft einmalig und obwohl wir mehr Höhenmeter im Abstieg als im Anstieg absolviert haben, hatten es die Ansteige in sich, steil, steiler am steilsten und das bei praller Sonne. Zu allen Überfluss mussten wir uns oft, wie eigentlich an allen anderen Tagen auch, in der Schlange einreihen, um an einigen Stellen den Berg nach oben zu kommen. Das hat uns dann viel Zeit gekostet und man konnte nie sein eigenes Tempo gehen. Das kostet dann doppelte Kraft. Das von den Streckenposten prophezeite Gewitter blieb glücklicherweise aus und so sind wir bei Sonne im Ziel angekommen.

Am Tag drei ging es dann in 39 km und 1981 HM im Aufstieg und 2481 Hm im Abstieg nach Landeck. Das war dann auch der erste Tag, wo der Kopf viel zu tun hatte. Es war nass, schlammig und ich hätte eigentlich lieber Pilze sammeln wollen. Ich habe gemeckert, geflucht und Gunnar musste ziemlich viel aushalten. Ich war nicht wirklich nett zu ihm. Aber ich denke, dass war wirklich nur an dem einen Tag ziemlich schlimm. Ich wusste, er kann viel schneller, die CutOffs lagen mir (so wie alle anderen Tage auch) im Magen, ich fühlte mich schlapp, hatte eigentlich keine Lust mehr auf diese stundenlange Anstrengung und doch war der Wettkampfwille da. Ich wollte nicht letzte sein. In Australien war mir das egal, da haben mir ca. 3 Minuten zum Vorplatzierten gefehlt. Die Zeit, dir wir vorm Ziel für uns genommen haben. Na und, das war mir dort egal. Und hier schaute ich immer nur auf Zeit, Platzierung und setzte mich selber unter Stress und Druck. Jetzt im Nachhinein könnte ich mich so sehr darüber ärgern, ich konnte nur so wenig genießen.

Tag vier, die Königsetappe, bei herrlichem Wetter über 46 km und 2895 Hm im Aufstieg und 1868 HM im Abstieg nach Samnaun. Ich muss dazu sagen, ich kenne die Alpen so nicht, war noch nie in dieser Höhe unterwegs. Ich war beeindruckt, überwältigt. Der Anblick der Berge und über den Wolken zu stehen, traumhaft. Hier habe ich wirklich, trotz aller Anstrengung bewusst geschaut und genossen. Als wir an der Kölner Hütte angekommen sind und ich so vor mich hin gerufen habe: „Jetzt in die Sonne setzen, Kaffee trinken und Urlaub machen.“, hatte ich natürlich die Lacher der Urlauber auf meiner Seite. In Samnaun erwies sich dann der letzte Kilometer als fast 2 Kilometer, das ist dann wirklich hart für den Kopf. Und trotz aller Schönheit der Landschaft hat mir heute einiges ganz besonders gefehlt. Die so geliebten Kuhglocken haben mich immer an Ian Crafter erinnert. Immer wo er in Australien an der Strecke stand, hatte er mit der Glocke geläutet. Sein so „beautifully“ habe ich so sehr vermisst, genau wie das strong Women. Jérôme Lollier und Bruno Thomas unterwegs, uns genau kennend und immer gut im Blick. Sowie all die anderen Helfer. Es hat einfach gefehlt, all die Tage. Klar gab es auch Ärzte und auch der Streckenchef und Uta als Chefin sowie die vielen Helfer standen an der Strecke. Und trotzdem war es anders. Es ist eben ein großes Event und damit ist man eine Startnummer. Das wusste ich vorher und trotzdem war mir nicht klar, dass ich nach Australien so fühlen würde. Am Abend fand die Pastaparty auf der Bergstation Alp Trida statt. Mit der Seilbahn nach oben konnte man schon etwas erahnen, was uns am nächsten Tag zum Bergsprint erwartet, nur vorstellbar war es noch nicht so richtig.

Der Tag fünf dann über ca. 8 km und 834 HM im Aufstieg als Bergsprint bei herrlichstem Sonnenschein. Gestartet wurde in umgekehrter Reihenfolge, sprich die langsamsten zu erst. So kam man dann irgendwann in den Genuss, dass die schnellen Läufer an einem wirklich vorbei sprinten. Dadurch waren die Abstände zwischen dem ersten und letzten Zieleinlauf nicht so groß und alle konnten die Pastaparty auf dem Berg genießen. Der Nachmittag war dann wirklich wie Urlaub, in der Sonne sitzen, die Berge genießen und einfach mal Kaffee trinken und Eis essen.

Am Tag sechs sollte es dann mit 40 km 2275 Hm im Aufstieg und 2886 Hm im Abstieg auf eine Höhe von 2730m üN von Samnaun nach Scoul gehen. Ein Tag zum Abhaken und das erste Mal seitdem ich überhaupt laufe, denke ich wirklich über ein DNF nach und eigentlich wollten wir auch aussteigen. Das Wetter hatte komplett umgeschlagen, es war kühl und nebelig. Dazu kamen vom Start an Magenschmerzen, jeder Schritt schmerzte im Bauch. Zum ersten Mal bin ich wirklich als Letzte gelaufen und hatte somit direkt die Schlussläufer hinter mir. Anna Hughes und Ihre Partnerin waren aber so nett und hielten trotzdem genügend Abstand zu mir, ganz lieben Dank noch einmal dafür! Ihr macht einen harten Job und musstet bei all den Wetterbedingungen immer langsam hinter uns hertrotten mit dem Gewicht der Schilder und Bänder auf dem Rücken. Zum VP1 habe ich mich irgendwie dann durchgekämpft und ich wollte auf dem nächsten Stück entscheiden, was ich mache. Es wurde aber nicht besser. Das Gehen war immer schwerer, die Schmerzen stärker und der Nebel dichter. Es war niemand mehr zu sehen. Meine Motivation am Ende und eigentlich wollte ich nie unter solchen körperlichen Bedingungen laufen. Ich setzte Gunnar in Kenntnis, dass ich am VP2 aussteigen werde und bat ihn weiterzulaufen. Aber nein, das wollte er nicht. Wir sind ein Team und hören beide auf, machen einen Tag Pause und laufen dann die letzte Etappe gemeinsam. OK, das war der Plan. Innerlich wurde ich etwas ruhiger, auf einmal verschwand der Nebel und es kam beim Downhill die Sonne raus. Es waren wieder paar Läufer zu sehen die nicht so weit weg waren. Irgendwie kam der Kampfgeist wieder und mein Kopf begann zu arbeiten. Ich stellte mir Australien vor, hatte Ian´s Worte im Kopf, ich sei so stark und solle mir immer, wenn es mir schlecht geht, vorstellen, wie ich durchs Outback marschiert bin. Alle hatten mir dort Kraft gegeben und an mich geglaubt. Mit dem Mantra: „Ich sei stark und schaffe das“ bin ich weitergelaufen und hatte wieder Hoffnung, doch noch ins Ziel zu kommen. Am VP haben wir dann auch paar Läufer eingeholt, Anna schnell informiert, dass es doch weiter geht, kurz umarmt und weiter ging es. Die Schmerzen waren natürlich nicht weg, aber der Kopf war stark genug. Was dann kam, war hart, wirklich hart. Regen, Hagel, Kälte, Gewitter mitten im Berg, nichts um uns drumherum und ein nicht enden wollender Anstieg im Geröll. Irgendwie sind wir oben angekommen, aber bergab war es auch nicht mehr besser. Matsch wo man hintrat, querliegende Baumstämme…eine Rutschparty ohne Ende. So richtig durchgefroren, nass und komplett fertig sind wir aber angekommen und somit ging es weiter für uns am Tag sieben über 45 km 1698 HM im Aufstieg und 1989 Hm im Abstieg nach Prad. Wäre das Wetter nicht so unsagbar schlecht gewesen, wäre die Strecke wirklich toll und die Gegend einmalig. Im Neben und Regen konnte man die Schönheit der Uinaschlucht nur erahnen, aber so hatte es auch etwas mystisches. Oben angekommen schlug das Wetter um und aus Regen wurde kurzzeitig Schnee. Es war eisig kalt und so zogen wir dann in einer Hütte der Bergwacht die langen Hosen an. Wir liefen wir weiter durch Schneefelder, Schlamm und aus dem Schnee wurde dann wieder strömender Regen. Also sind wir wieder total durchgefroren, nass und verdreckt im Ziel angekommen. Aber es war ja nur noch ein Tag zu absolvieren.

Die Route am 8ten Tag wurde auf Grund von bereits liegendem Schnee und Neuschnee geändert auf 28 km und 2200 Hm im Aufstieg gekürzt. Mir hat das vollkommen gereicht und ich hätte keinen Meter und Höhenmeter mehr laufen wollen. Zum Glück hat es, bis wir im Ziel waren, nicht geregnet, nur ab und zu mal etwas genieselt. Die Wege waren allerdings trotzdem voller Schlamm. Kurz nach dem zweiten VP ging unsere Strecke doch tatsächlich komplett an unserem Hotel vorbei. Das war schon hart, man hätte so schön in die warme wohltuende Wanne springen können. Auch die Lautsprecher aus der Zielhalle waren schon zu hören. Aber wir hatten noch ca. 8 km und einen riesigen steilen Aufstieg vor uns. Ich habe die gesamte Strecke unter höllischen Schmerzen in der Achillessehne gekämpft, es war als wenn die Beine gleich durchbrechen. Irgendwann habe ich dann zur Schmerztablette gegriffen, die auch für eine Weile wirkte. Allerdings die letzten paar Kilometer waren die Schmerzen wieder da. Klar, so kurz vor dem Ziel hört man nicht auf. Aber unter solchen Bedingungen wollte ich mal nie laufen. Und da es mir wirklich die gesamte Zeit so schlecht ging, hat sich das so sehr in den Kopf eingebrannt, dass ich anfangs wirklich absolut keine schönen Erinnerungen an diesen Lauf hatte. Auch Gunnar hatte stark zu kämpfen, er hatte einen dicken Knöchel und auch Schmerzen. So haben wir für die 28 km eine Ewigkeit gebraucht, eigentlich unvorstellbar. Endlich kamen die letzten Kilometermarkierungen 5,4,3,2,1 und die letzten hundert Meter schossen dann nur noch die Tränen, die gesamte Anspannung sank…endlich war es vorbei und geschafft.

Die Radebeuler Weinbergschnecken haben den TAR gefinisht, nicht schnell aber im Ziel. Die Zielfotos von mir sprechen für sich. Auch am Abend zur Siegerehrung und Party war ich immer hin und her gerissen. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut und es mir immer wieder vorgestellt, die Videos aus den letzten Jahren immer wieder angeschaut. Und trotzdem war es anders. Ich habe mich riesig für Tell Wollert und Steven Günther gefreut sowie unser gesamtes Team aus Sachsen. Aber für mich persönlich konnte ich mich nicht so richtig freuen, ich war nicht stolz, habe mich eigentlich eher für die langsame Zeit geschämt. Und dabei habe ich die letzten Jahre so daran gearbeitet, mich nicht mehr unter diesen Druck zu stellen. Als ich meinen ersten Ultra am Rennsteig gelaufen bin, hatte ich nichts gepostet, da ich mich geschämt habe, Ewigkeiten später nach allen anderen Bekannten im Ziel angekommen zu sein. Und genau dieses Gefühl hatte ich wieder und dazu der Ärger wegen den Schmerzen und Tabletten. Irgendwann habe ich mich dann von der Tanzfläche zurückgezogen, mir war alles zu viel, zu laut…wie gerne hätte ich irgendwo im Outback unter dem Sternenhimmel gesessen.

Dieses Jahr ist für mich nun eigentlich abgelaufen, der Körper braucht seine Ruhe und ich werde nur nach Lust und Laune an Wettkämpfen teilnehmen. Ich bin unsagbar dankbar, dass das Jahr insgesamt so gut gelaufen ist und mein Körper fast bis zum Schluss ausgehalten hat.
Und so will ich an dieser Stelle noch einmal ein ganz großes Dankeschön an Christian und die Laufszene Dresden für die Unterstützung und das großartige Training aussprechen. Verpflegt habe ich mich auf allen Touren sowie im Training mit Tailwind und habe mich damit rundum versorgt gefühlt.



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Torhäuser Großer Garten
Mittwoch, 27. November 2024
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