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Zuerst einmal: die Laufwettbewerbe anlässlich der Weißen Nächte finden (leider) nicht in der Nacht, sondern klassisch am Morgen statt.

Ralf hatte uns frühzeitig fast ein Jahr zuvor für den Marathon bzw. mich für die 10 km Strecke für Sonntag, den 30. Juni dieses Jahres angemeldet. Andere Streckenlängen werden nicht angeboten.

Nach der Germania-Pleite hatten wir umgebucht auf Aeroflot, über Booking.com ein sehr günstiges, aber auch sehr gutes Hostel in einer ruhigen Parallelstraße des Newski-Prospektes bekommen. Bei insgesamt 8 Tagen Aufenthalt möchte man ja nicht das ganze Budget für ein Hotel ausgeben. Nur gut, dass die Russischkenntnisse nicht ganz verschüttet waren.

Um die Startunterlagen abzuholen, war ein Ausflug zum Park Pobeda nötig. Eine der zahlreichen Qualitäten dieser Stadt: Sie ist unheimlich grün, die zahlreichen gut gepflegten Parks werden von den Menschen genutzt, sie gehen spazieren, sitzen oder liegen auf den zahlreichen Bänken oder auf der Wiese. An jeder Bank links und rechts ein Papierkorb. Und natürlich kommt man mit der Metro.

Die Startnummernausgabe im Sportzentrum ist perfekt organisiert, ohne Wartezeit erhalten wir die Startnummern und je ein T-Shirt. Als Sponsoren präsentieren sich u.a. die Bierfirma Baltica mit verschiedenen Sorten alkoholfreiem Bier sowie ein isländischer Joghurthersteller. Ziemlich interessant ist die Präsentation der osteuropäischen Laufszene mit sehr interessanten Läufen in Samarra, Kasan, Omsk, natürlich den baltischen Hauptstädten und Jekaterinburg sowie Trails rund um St. Petersburg. Alles hochprofessionell.

Am Lauftag ist es morgens sonnig, schon etwas windig bei ca. 16 Grad Celsius. Der Marathon startet um 8:00 Uhr, die 10 km 30 Minuten später. Natürlich fahren wir mit der Metro und sind positiv überrascht, dass die gesamte Veranstaltungsorganisation für die insgesamt 11.000 Läufer sehr übersichtlich auf dem riesigen Schlossplatz Platz findet. Sogar die Toiletten sind ausreichend. Das einzige Manko: die Abgabe und dann auch wieder Ausgabe der Kleiderbeutel war personell absolut unterbesetzt, es bildeten sich riesige Schlangen und kurz vor dem Start warfen die Läufer ihre Beutel, die sie nicht mehr losbekamen, einfach über die Absperrung in die Aufbewahrungszelte hinein.

Die 10 km-Strecke war eine schöne Sightseeingtour rund um die Peter- Pauls-Festung und über zahlreiche Newabrücken. Auf den endlos breiten Straßen lief es sich gut. Es gab sogar Zeitläufer für 50 Minuten und eine Stunde sowie eine Verpflegungsstelle mit Wasser nach 5,5 km. Viele Straßenbands und Zuschauer unterwegs. Da ich wieder einmal einem Anfängerfehler erlegen bin, viel zu schnell gestartet zu sein, musste ich zum Schluss draufzahlen und war mit 57 Minuten nicht gerade zufrieden.

Die Marathonstrecke verlief in Schleifen oft direkt an der Newa entlang über mehrere Inseln. Dadurch war es etwas ruhiger an der Strecke. Ein Abstecher führte aber auch durch die Innenstadt, am Faberge-Museum vorbei, den Newski-Prospekt querend und dort um diese Zeit ein Verkehrschaos verursachend. Leider gab es nur alle 5 km Kilometerangaben. Als Verpflegung wurden Bananen, Rosinen und Weintrauben, Brot, Zucker und Salz, sowie Wasser in Halbliterflaschen – etwas unpraktisch – angeboten. Das war alles etwas unübersichtlich.

Auf der Strecke nahm der Wind ständig zu, die letzten 8 km entlang der Newa und immer geradeaus waren ziemlich heftig und haben enorm Kraft gekostet. Keine Strecke für Rekordzeiten! (Streckenrekord aus 2003: 2:11:46). So war Ralf mit einer Zeit von 4: 02 Stunden recht zufrieden.

Auch die Medaille ist erwähnenswert: Sie ist drehbar

Ein Blick in die Ergebnisliste relativiert den Anspruch „internationaler Marathon“ etwas: unter den ersten Hundert Marathonis kommen ab Platz 90 die ersten ausländischen Starter – ansonsten sind die Russen doch sehr unter sich. Dem positiven Lauferlebnis tut dies aber keinen Abbruch.

Man kann den Lauf sehr empfehlen, es ist zwar windanfällig, aber es wird auf der Strecke nie langweilig. Die Startzeit ist angenehm, es ist immer ausreichend Platz auf der Straße und die einzigen Erhebungen sind die Brücken – für alle diejenigen, die keine Hügel mögen.
http://wnmarathon1.tilda.ws/

Nach unserer üblichen Marathonregenerationszeit – duschen, ein paar Stunden schlafen, gut essen – starteten wir in unsere „weiße Nacht“.

Das ist hier ein must have: nach Mitternacht auf ein Boot auf der Newa! Am Ufer und auf den Brückenenden sammelten sich Tausende Schaulustige.  Um 1:00 Uhr starteten gefühlt 100 Ausflugsboote mit jeweils 100 Fahrgästen an Bord gleichzeitig und sammelten sich vor der Dvorzovy Most gegenüber der Admiralität. Um 1:30 öffnete sich diese, alles jubelte und die Bootskarawane fuhr weiter zur nächsten, der Troijcky Most vorbei an der Peter-Pauls-Festung. Dann öffnete sich auch diese und so ging es noch eine Stunde lang weiter. Die Brücken öffnen sich sehr verschieden: einige in zwei Teilen in der Mitte, einige von links oder rechts mit nur einem Brückenarm.

Als die Boote alle langsam wieder zum Ausgangspunkt zurückfahren, um nacheinander die Fahrgäste wieder an Land zu lassen, sahen wir zahlreiche große Hochseepötte, die die  freie Durchfahrt von der Ostsee am Finnischen Meerbusen zum Ladogasee oder zu Entladestationen entlang der Newa nutzen.

Wir waren gegen 3:15 auch wieder an Land, da war es schon wieder richtig hell. Allerdings fährt dann keine Metro mehr. Also zu Fuß die 3 km zum Hostel durch eine Stadt, die kaum ruhiger ist als am Tage! Viele Gaststätten haben rund um die Uhr geöffnet, Hotdoc-Verkäufer hofften noch immer auf Kunden und Musiker und Bands spielten auf der Straße. Auch der Autoverkehr war nur unwesentlich weniger. Gegen 4:00 Uhr im Hostel angekommen, überlegten wir, ob sich schlafen gehen jetzt noch lohnte.

Falls jemand fragt, wie man sich dann noch eine ganze Woche in St. Petersburg beschäftigen kann, hier unsere Erfahrungen:

Ein Tag Eremitage (nach Online-Vorbuchung) sowie dazugehörig die europäischen Ex- und Impressionisten im gegenüberliegenden ehemaligen Generalstabsgebäude. Letzteres bietet innen die absolute Überraschung: präsentiert es sich doch als hochmodernes architektonisch sehr ansprechendes Museum.

Ein Tag Peter-Pauls-Festung sowie Bootsfahrt durch die Kanäle oder – wenn dort das Wasser zu hoch steht – um die nördlichen Inseln herum zu den modernen Sport- und Bürobauten.

Ein Tag Zarskoje Selo in Puschkin mit Katherinen-Palast und Bernsteinzimmer – auch unbedingt vorbuchen, sonst stellt man sich hinter der „chinesischen Mauer“ einige Stunden an.

Zwei Tage lang den insgesamt 4,5 km langen Newski-Prospekt zu Fuß entlang und die zahlreichen Sehenswürdigkeiten links und rechts davon besichtigen: Isaak-Kathedrale, Auferstehungskirche, Faberge-Museum … Zwischendurch gibt es genügend Parks für eine Mittagsruhe auf der Wiese.

Auch kann man überall und zu jeder Tageszeit (!) gut und preisgünstig essen und trinken, in den beliebten traditionellen und guten Stolowajas (Selbstbedienungsgaststätten mit jeweils mehreren Vorspeisen, Fleisch, Fisch, Beilagen und Desserts), aber auch bei Italiener, Spanier, Chinesen… – eine sehr große Auswahl.

Trotz des guten öffentlichen Nahverkehrs läuft man viele Kilometer. Bei der Reisevorbereitung muss man an gute Schuhe, Bekleidung gegen Regen und Wind denken – aber chic sollte diese trotzdem sein! Sonst wird man sofort als „Touri“ erkannt und fühlt sich aus so!



Für alle, die gern mal einen Berglauf absolvieren und eventuell einen Kurzurlaub darumherum planen, hier unsere zwei Vorschläge:

Etwas weiter entfernt und auch etwas heftiger ist der Montafon Arlberg Marathon (
https://www.montafon-arlberg-marathon.com/).
Er findet statt – wie der Name sagt – in St. Anton am Arlberg – einer der bekanntesten Skiregionen Österreichs, am ersten Juliwochenende (2017 am 01.07). Übernachtungen bekommt man um diese Zeit hier ausreichend und sogar recht preiswert. Allerdings muss man sich gut überlegen, wo man übernachten möchte, denn es gibt logistische Herausforderungen. Der Veranstalter bietet drei Strecken an: Marathon mit 1.600 Höhenmetern, einen 33 km Trail mit 1.190 Höhenmetern und  einen Einsteiger -16 km -Lauf mit nur 600 HM sowie einen Schülerlauf. Während sich Ralf für die 33 km entschied, kamen für mich nur die 16 km in Frage. Die logistische Herausforderung entstand durch den Startpunkt des Marathons und der 33 km in dem idyllischen Bergdorf Silbertal, welches aber 90 Autokilometer von St. Anton entfernt liegt. Die anderen Starts sowie der Zielpunkt sind im Zentrum von St. Anton. Wir sind am Tag vor dem Lauf angereist und nichts im Ort lies darauf schließen, dass hier am nächsten Tag ein Berglaufevent stattfinden sollte. Erst als wir auf unserer Erkundungspirsch durch die Umhebung am Stadtbad vorbeikamen, sahen wir an der Sport- und Badewelt-Halle eine Ankündigung für die Abholung der Startunterlagen für die in St. Anton startenden Strecken. Startunterlagen für die längeren Strecken und Pastaparty gab es in Silbertal, so dass wir auf die Party verzichtete, denn fast 180 km Autofahrt dafür waren uns zuviel.


Die Info über Abfahrtsort und – zeit für die Shuttelbusse, welche die Marathonstarter am Lauftag nach Silbertal brachten, erfuhren wir auf Nachfrage. Das klappte dann aber perfekt, am Wettkampftag fuhren um 7:15 ab Bahnhof ausreichend Busse, um die Langstreckler zu ihrem Startpunkt zu bringen.


Die 16 km starteten entspannt um 10 Uhr. Wetter war angenehm warm, aber die Regentage zuvor hatten die Laufstrecke in Mitleidenschaft gezogen – besonders auf den langen Distanzen. Hier ging es oft über Stock und Stein, auf schmalen Bergpfanden steil rauf und runter.
Die kurze Strecke  wurde meist auf breiten Wald- bzw. Forstwegen gelaufen, nur zweimal wurde der Pfad trailmäßig schmal und steil. Da war man froh, dass es nicht so viele Teilnehmer gab und diese sich auf der Strecke gut verteilten. Es gab sehr schöne Ausblicke; Markierung und Verpflegung waren in Ordnung. Meine Form war es nicht, daher nahm ich mir die Vorrede des Veranstalters vor dem Start zu Herzen und  genoss die Umgebung. Auch Ralf war nicht restlos glücklich, seine Strecke war wohl länger als 33 km und oft sehr morastig. Im Ziel waren trotzdem alle happy, der Veranstalter hatte einen neuen Teilnehmerrekord. Insgesamt ein sehr schöner, sportlicher und familiärer Wettkampf, ohne viel Lärm und „Zirkus“ in phantastischer Landschaft.

Wer nicht so weit fahren will und einen lieblicheren Berglauf möchte, dem empfehle ich den Ottonenlauf am ersten Augustwochenende im Harz (https://www.ottonenlauf.info/). Man kann sich den Supermarathon mit 69 km von Stiege nach Quedlinburg antun, es gibt aber auch hier einen Marathon (45 km ) und einen Halben mit 26 km.  Der Veranstalter zeigt zwar ein Höhenprofil für die lange Stecke aber keine aufgerechneten Höhenmeter (auch sonst sind die Infos der Website eher spärlich). Wer jedoch den Harz ein bisschen kennt, weiß, dass es von Stiege nach Quedlinburg tendenziell nur nach unten geht – ein paar Hügel dazwischen ausgenommen.
Ralf und ich entschieden uns für Marathon bzw. Halbmarathon. Auch logistisch nicht einfach: Zielort für alle Strecken ist Quedlinburg, der Marathon startet in Alexisbad und der Halbe in Meisdorf. Da wir in Alexisbad wohnten, fand ich zum Glück einen weiteren Halbmarathonstarter, der mich früh ins Schloss Meisdorf mitnahm – öffentlichen Personenverkehr gibt es auf dieser Route am Wochenende nicht. Auch hier alles sehr intim und familiär. Irgendwelche Plakate oder Vorankündigungen, Hinweise zum Startort – Fehlanzeige. Man fragt jemanden, der auch wie ein Läufer aussieht und der weiß dann, wo die Startnummer ausgegeben werden und sich der Start befindet.

Während die Supermarathonis schon um 7:00 Uhr auf die Strecke gingen, hier übrigens Mario Ulbricht und Ulrike Bartz als bekannte Dresdener mit dabei, starteten die übrigen um 10:00 Uhr. Pünktlich zwei Minuten vorher ging noch einmal ein Regenschauer hernieder- zum Glück der einzige für diesen Tag. Die Witterung war optimal kühl, nur für die Langstreckler auf den letzten 6 km ohne Schatten am Nachmittag etwas anstrengender.
Von der Strecke waren wir begeistert. Es ging ständig rauf und runter, aber stets so moderat, dass man alles erlaufen konnte, keine radikalen Anstiege. Sehr schöne Waldpfade, herrliche Aussichten, durch kleine Ortschaften und mehrfach die Selketalbahn querend. Meine Form war besser als am Arlberg und obwohl die Stecke 10 km länger war, waren wir am Ende weniger K.o.. Und es gab einen Streckenrekord bei den Frauen auf der Supermarathonstrecke.
Neben der schönen Strecke war die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Harzer bemerkenswert. Ob die zusätzlichen Wasserstellen an der Kleingartenanlage, der Hinweis eines Autofahrers an eine Läuferin, die falsch abgebogen ist oder die vielen Helfer an Straßenübergängen, Verpflegungspunkten oder im Ziel – natürlich alles ehrenamtlich und sehr herzlich.

Ich bringe hier keine Informationen über Siegerzeiten oder eigene Laufergebnisse und zwar aus zwei Gründen: erstens sind diese Zeiten aufgrund der verschiedenen Streckenlängen und Höhenmeter ohnehin nicht vergleichbar und zweitens haben sie auch für uns keine große Bedeutung. Die Läufe haben Spaß gemacht, sie waren eine Herausforderung, die wir mit gutem Gefühl absolviert haben. Und natürlich gab es hinterher kräftigen Muskelkater.

Viele Grüße, Heike Lutoschka



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